Das Lied der Maori
versuchte noch einmal, seinem Vater seine Aufgaben und Absichten deutlich zu machen. »Mein Job ist es, die Arbeit in der Mine zu überwachen und die Abbaumethoden zu optimieren ...«
Sein Vater runzelte die Stirn. »Ach?«, sagte er scheinbar verblüfft. »Hat sich neuerdings eine bessere Möglichkeit gefunden, Eisen und Schlegel zu schwingen?«
Tim blieb gelassen. »Es wird dafür bald Maschinen geben, Vater. Und schon jetzt gibt es effektivere Möglichkeiten, Kohle und Abraum abzutransportieren. Es gibt modernere Techniken, die Schächte abzustützen, Wetterschächte zu bohren, die gesamte Wasserhaltung ...«
»Und das alles kostet letztlich mehr, als es einbringt«, unterbrach Lambert ihn. »Aber gut, wenn es dich glücklich macht. Schau dir das Ganze an, atme ein bisschen Staub ein. Du wirst schnell genug zu viel davon kriegen ...«
Lambert wandte sich wieder seinen Papieren zu.
Tim grüßte kurz und verließ das Kontor.
Glücklich machte ihn die Bergbauindustrie keinesfalls. Aus eigenem Antrieb hätte er wahrscheinlich einen anderen Beruf gewählt, auch wenn die Geologie als solche – und vor allem das Ingenieurswesen – ihn durchaus interessierten. Doch die Arbeit unter Tage und ihre Gefahren bedrückten ihn. Timothy war am liebsten draußen in der Natur; er hätte lieber Häuser gebaut als Stollen. Auch Schienenbau reizte ihn und wäre gerade hier in Neuseeland ein interessantes Betätigungsfeld. Aber da er nun mal eine Mine erbte, hatte er alle persönlichen Neigungen begraben und sich zum Bergbauexperten ausbilden lassen, wobei er sich in Europa schon einen gewissen Bekanntheitsgrad als Fachmann in Sicherheitsfragen erworben hatte. Timothy fürchtete Mineneinbrüche und Gasexplosionen, und sein Hauptinteresse hatte immer schon den Möglichkeiten gegolten, solche Katastrophen zu verhindern. Natürlich suchten die ersten, noch losen Vereinigungen von Bergarbeitern hier eher seinen Rat als die Minenbetreiber. Letztere investierten meist erst in die Sicherheit ihrer Zechen, wenn ein Unglück geschehen war, und wahrscheinlich machte mehr als einer drei Kreuze hinter einen so penetranten Warner wie Timothy Lambert. Sollte der in Neuseeland seinen Vater auf Kosten treiben! In England weinte man ihm keine Träne nach.
Timothy wandte sich der Mine zu und bat die zwei mürrischen Männer an der Fördermaschine, den Steiger heraufkommen zu lassen. Ganz ohne Führung mochte er sich nicht in den Schacht begeben, und so wartete er geduldig, bis die Nachricht angekommen war. Schließlich setzte sich die Fördermaschine quietschend und ratternd in Bewegung, und Tim fragte sich mit leiser Gänsehaut, wie oft hier wohl die Drahtseile ausgewechselt wurden. Der Steiger war ein noch verhältnismäßig junger Mann, der mit Waliser Akzent sprach und dem Sohn des Minenbesitzers gegenüber eher ablehnend wirkte.
»Wenn es wieder um die Fördermenge geht – ich habe Ihrem Vater schon gesagt, dass die so nicht zu steigern ist. Noch schneller können die Männer nicht arbeiten, und es bringt auch wenig, noch mehr Leute einzusetzen. Die treten sich da unten jetzt schon auf die Füße. Manchmal hab ich Angst, dass die Luft knapp wird ...«
»Ist denn nicht für ausreichende Ventilation gesorgt?« Tim nahm sich einen passenden Helm und eine Grubenlampe, wobei er die Stirn runzelte. Es gab längst modernere Modelle. Tim bevorzugte Benzinlampen, die nicht nur Licht boten, sondern deren Aureole auch den Methangasgehalt der Luft bestimmen ließ.
Der Steiger vermerkte seine routinierten Bewegungen ebenso wie sein Unbehagen und wurde etwas zugänglicher. »Wir tun unser Bestes, Sir. Aber Wetterstollen tun sich nun mal nicht von selbst auf. Um die zu bohren, muss ich Männer abstellen. Und ausgemauert werden müssen die Stollen auch; deshalb fallen Materialkosten an. Da macht Ihr Vater mir die Hölle heiß ...«
Heiß genug war es auch im Schacht. Während der Tag draußen eher ungemütlich war, stieg die Temperatur, je tiefer der Förderkorb sank. Als die tiefste Sohle erreicht war, registrierte Timothy schale, verbrauchte Luft und glühende Hitze.
»Matte Wetter«, bemerkte er fachkundig und grüßte die Männer, die hier Loren voller Kohle heranschoben und zum Transport durch den Förderschacht vorbereiteten. »Hier muss dringend etwas getan werden. Man darf gar nicht drüber nachdenken, was passiert, wenn hier mal Gas austritt.«
Der Steiger grinste. »Dafür haben wir die hier.« Er wies auf einen Käfig, in dem ein
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