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Das Lied der Maori

Das Lied der Maori

Titel: Das Lied der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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immerhin für die Seelsorge seiner Leute zuständig, obwohl viele von ihnen sich zum katholischen Glauben bekannten und insofern nicht in seinen Gottesdienst kamen. Aber dann sah er, dass der Pfarrer offensichtlich schon Besuch hatte. Vor der Kirche war eine kleine, kräftige Schimmelstute angebunden; daneben wartete geduldig ein dreifarbiger Collie. Und eben öffnete sich die Kirchentür. Timothy sah den Reverend heraustreten und seinen Gast verabschieden. Er hielt einem rothaarigen Mädchen die Tür auf, das ein paar Notenbücher unter dem Arm trug. Ein ausnehmend hübsches, zierliches Mädchen in einem abgetragenen grauen Reitkleid. Sie hatte ihr langes, krauses Haar zu einem Zopf geflochten, der ihr über den halben Rücken hing, aber so ganz wollten die Locken sich nicht bändigen lassen. Ein paar Strähnen hatten sich bereits gelöst und umspielten ihr schmales Gesicht. Der Reverend winkte seiner Besucherin noch einmal freundlich nach, als sie jetzt zu dem Schimmel ging und die Noten in der Satteltasche verstaute. Der kleine Hund schien außer sich vor Freude, seine Herrin wiederzusehen.
    Tim ritt näher heran und grüßte. Er nahm an, das Mädchen hätte ihn beim Verlassen der Kirche bereits gesehen, doch sie erschrak, als sie seine Stimme hörte, und fuhr herum. Einen Augenblick glaubte Tim fast so etwas wie Panik in ihrem Gesicht zu erkennen. Das Mädchen schien hastig um sich zu blicken wie ein Tier in der Falle und beruhigte sich erst, als Timothy keine Anstalten machte, sich auf sie zu stürzen. Auch die tröstliche Nähe der Kirche schien ihr bewusst zu werden. Vorsichtig erwiderte sie Timothys Lächeln, senkte dann aber sofort die Augen und schien ihm fürderhin nur misstrauische Seitenblicke zuzuwerfen.
    Immerhin gab sie den Gruß mit leiser Stimme zurück. Dabei stieg sie sehr geschickt in den Sattel. Sie schien es gewohnt zu sein, ihr Pferd ohne die Hilfe eines Herren zu erklimmen.
    Timothy stellte fest, dass sie den gleichen Weg hatten. Auch das Mädchen wandte ihr Pferd in Richtung Stadt.
    »Sie haben ein hübsches Pferd«, bemerkte Timothy, nachdem sie kurze Zeit schweigend nebeneinander hergeritten waren. »Es sieht aus wie die Ponys in Wales, aber die großen sind in der Regel keine Schimmel ...«
    Das Mädchen wagte einen etwas intensiveren Seitenblick. »Banshee hat Welsh-Mountain-Blut«, erklärte sie dann, wenn auch ein bisschen unwillig. »Daher kommt die Schimmelfarbe. Sonst ist sie bei Cobs selten, da haben Sie Recht.«
    Eine erstaunlich lange Rede für das so offensichtlich schüchterne Geschöpf. Das Thema »Pferde« schien den Nerv zu treffen. Und sie verstand wohl auch etwas davon.
    »Welsh Mountains sind die kleinen Ponys, nicht wahr? Die man auch in den Minen einsetzt?«, fragte er weiter.
    Das Mädchen nickte. »Aber ich glaube nicht, dass es gute Minenponys sind. Sie sind zu eigenwillig. Banshee würde sich jedenfalls nicht in einen dunklen Schacht einsperren lassen.« Sie lachte nervös. »Wahrscheinlich würde sie gleich in der ersten Nacht Pläne schmieden, eine Leiter zu bauen.«
    Tim blieb ernst. »Die womöglich belastbarer wäre als mancher Förderkorb in hiesigen Privatminen«, sagte er und dachte an den maroden Aufzug in der Mine seines Vaters. »Aber es stimmt, in den Minen sind eher Ponys aus Dartmoor und New Forest. Sehr oft auch Fellponys, die sind etwas größer.«
    Das Mädchen schien jetzt ein wenig zutraulicher zu werden und musterte ihn länger. Tim registrierte ihre schönen Augen und ihre Sommersprossen.
    »Kommen Sie aus Wales?«, fragte er, obwohl er es nicht glaubte. Das Mädchen sprach keinen Waliser Dialekt.
    Sie schüttelte denn auch den Kopf, gab aber keine weiteren Auskünfte. »Und Sie?«, fragte sie stattdessen. Es klang allerdings nicht danach, als wäre sie wirklich interessiert, sondern wollte die Konversation beiläufig halten.
    »Ich war in Wales und habe da in einer Mine gearbeitet«, gab er Auskunft. »Aber ich komme von hier, aus Greymouth.«
    »Dann sind Sie Bergmann?« Auch diese Frage kam beiläufig; allerdings taxierte das Mädchen dabei seine ordentliche Kleidung, sein wertvolles Sattelzeug und sein hübsches Pferd. Gewöhnliche Bergleute konnten sich so etwas nicht leisten. Sie gingen im Allgemeinen zu Fuß.
    »Bergbauingenieur«, stellte er richtig. »Ich habe in Europa studiert. Bergbauingenieure kümmern sich um die Anlage der Mine und ...«
    Das Mädchen winkte ab. »Und sie bauen das hier«, sagte sie und wies mit einer knappen

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