Das Lied der Maori
nach England wollte sie dann nicht mit. Oder die Leute wollten sie nicht mitnehmen, das könnte ich mir eher vorstellen. Seitdem zieht sie allein herum – ein hartes Brot. Auch wenn sie nicht klagt, Caleb ist überzeugt, sie lebt ein herrliches Leben. Aber man braucht doch nur zu sehen, wo sie gestrandet ist. Das Wild Rover ist so ziemlich das Letzte. Dabei singt und spielt sie wirklich gut. Zum Schluss hat sie mit Caleb zusammengespielt. Der spielt auch nicht übel. Jedenfalls spielt er dreimal so gut Klavier, wie er reitet, und da reden wir gar nicht von Bergbau ...«
Elaine hörte nicht weiter zu. Natürlich, er war beeindruckt von Kura. Und sie hatte tatsächlich Opern gesungen, wo doch alle stets bezweifelt hatten, dass es dazu reichte. Aber diese Engländer hatten sie trotzdem nicht mitgenommen. Das konnte sie ihr aufs Butterbrot schmieren, wenn sie noch mal hier auflief. Falls es ihr dann einfiel. Aber das musste es! Sie musste stark sein, viel mehr wie Charlene, der Matts Schwärmereien für Kura gar nicht so viel auszumachen schienen. Elaine atmete auf, als der Abend endete. Und morgen ...
Der Samstagabend im Pub war turbulent wie immer, und Elaine, die fest entschlossen war, sich auf keinen Fall unterkriegen zu lassen, und nun in ihrem hübschesten Kleid am Klavier saß, erfüllte einen Musikwunsch nach dem anderen. Sie zwang sich auch wieder, etwas fröhlicher zu sein – und lächelte dann sogar, als sich gegen neun die Tür öffnete und Tim Lambert hereinkam. Es hatte wieder einmal den ganzen Tag geregnet, und er hatte seinen Regenmantel und den Südwester im Stall gelassen. Aber auch die Sachen, die er darunter trug, waren nach dem kurzen Weg vom Stall durch den Wolkenbruch fast völlig durchnässt. Tim lachte und schüttelte sich wie ein junger Hund, bevor er zu Elaine hinüberschlenderte. Elaine musste sich eingestehen, dass er gut aussah, trotz der nassen Haare und der Regentropfen an den Wimpern, die langsam durch seine Lachfältchen abliefen. Schließlich rieb er sich das Wasser mit dem Hemdsärmel aus dem Gesicht. Er wirkte unbekümmert, jung und lebendig.
»Guten Abend, Miss Lainie.«
Sie nickte ihm zu. Mit einem Mal fühlte sie sich, als habe jemand eine Last von ihr genommen. »Guten Abend, Mr. Tim. Soll ich etwas für Sie spielen?«
Tim lächelte. »Sie wissen doch, worum es geht, Miss Lainie. Beschwören Sie also erneut für mich die sieben Jahre, die John Riley auf seine Liebste warten musste ...«
Elaine runzelte die Stirn. »Ließ John Riley nicht eher die Liebste warten?«
Tim grinste. »Eben das sollte Ihnen zu denken geben!«, sagte er mit gespieltem Ernst. »Aber entschuldigen Sie mich kurz, ich muss mit Matt sprechen, bevor der sich heute gänzlich dem Whisky ergibt. Grund genug hätte er ja. Und ich auch ...«
Lainie schaute ihn fragend an. »Ist etwas mit der Mine?«
Tim nickte. »Mein Vater hat wieder einen Vorstoß von Matt abgeschmettert, die Wetterschächte auszuweiten. Wir haben nur einen neuen, und der funktioniert gut, aber wenn wirklich mal Gas austritt, ist das viel zu wenig. Und wenn man Caleb Biller glauben darf, besteht akute Gefahr. Mensch, der alte Biller ist doch genauso geizig wie mein Erzeuger! Wenn
der
schon Geld für Sicherheit ausgibt ...« Tim wirkte ernsthaft besorgt.
»Gibt es nicht so was wie Gasmasken?«, fragte Elaine. Sie hatte mal davon gehört und auch Zeichnungen in einem Magazin gesehen. Die Männer, die diese Schutzmasken trugen, sahen damit aus wie hässliche Rieseninsekten.
Tim freute sich sichtlich über ihr Interesse. »Die haben wir auch nicht, Miss Lainie. Außerdem würden sie nicht viel helfen. Das Vertrackte an den Gasaustritten ist die Explosionsgefahr. Meistens ist es nur Methangas. Das ist nicht giftig, aber brennbar, und es entzündet sich leicht. Dem ist nur halbwegs sicher vorzubeugen, indem man den Kohlestaub in der Mine verringert, zum Beispiel durch Berieselung mit Wasser, und die Luftzirkulation sichert. Beides wird bei uns nur ungenügend betrieben.«
Elaine blickte ihn besorgt an. »Sie selbst sind aber nicht oft da unten, oder?«
Tim strahlte. »Das rettet mir jetzt den Tag, Miss Lainie! Sie haben Angst um mich! Davon werde ich noch stundenlang zehren!«
Mit diesen Worten verließ er sie und war wenige Minuten später in eine eifrige Diskussion mit Matt Gawain verwickelt. Der Steiger war nahe daran, mit Kündigung zu drohen. Marvin Lambert hatte ihn vor seinen Männern lächerlich gemacht und erklärt, eine
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