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Das Lied der Maori

Das Lied der Maori

Titel: Das Lied der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Durchzug bei geöffnetem Fenster. Nur ein Fenster reicht nicht, und auch nicht nur eins im ersten Stock des Hauses. Wenn das ganze Haus mit frischer Luft versorgt werden soll, braucht man ausreichend Öffnungen. Wenn wir also die Stollen weitertreiben, das Haus sozusagen erweitern, müssen wir auch neue Wetterschächte bohren. Und je größer die Gefahr ist, dass irgendwo Gas austritt, desto massiver muss der Durchzug sein. Zumal bei dem hiesigen Wetter. Die Außentemperaturen und der Luftdruck spielen ja auch eine Rolle ...« Tim erklärte geduldig, bezweifelte allerdings, dass sein Vater ihm zuhörte. Je länger er seinen Vortrag zog, desto verzweifelter wurde er, zumal ihm erst hier oben, bei Helligkeit und Weitsicht richtig klar wurde, wie verzweigt und gefährlich das Netz aus Schächten und Stollen da unten schon war.
    Und dann vernahm er plötzlich dieses Grollen, fast als zöge irgendwo ein Gewitter auf. Auch Marvin schaute irritiert zum Himmel und zog schon mal vorsichtshalber den Kopf ein. Doch über Greymouth, dem Gebirge und der See stand keine einzige Wolke. Tim war alarmiert. Das kam nicht von oben, das spielte sich unter ihren Füßen ab!
    »Vater, die Mine ... Da unten passiert etwas. Hast du irgendwas angeordnet? Eine Sprengung? Oder ... doch nicht womöglich eine Schachterweiterung? Mit dem veralteten Sprengstoff? Ist etwas anders als sonst?« In Tims Blick lag äußerste Dringlichkeit.
    Marvin winkte gelassen ab. »Der junge Steiger, Josh Kennedy, treibt Stollen neun weiter«, sagte er beinahe stolz. »Das ist kein so Zögerlicher wie Gawain. Der war gleich dabei, als ...«
    Tims Miene spiegelte Entsetzen. »Als du angeordnet hast, Stollen neun weiter zu öffnen? Mein Gott, Vater, bei Stollen neun gab es noch keinerlei Probebohrungen! Dabei vermutet Matt Hohlräume. Lass uns Alarm geben, Vater, da unten passiert was!« Er ließ Marvin stehen und machte sich im Laufschritt auf den Weg zum Mineneingang, doch die Explosionen holten ihn ein. Das Gelände der Mine lag weiter harmlos und still unter dem Frühlingshimmel, doch unter der Erde brach infernalischer Lärm los, als hätte man zehn Stangen Dynamit gezündet. Erst einmal, dann ein zweites Mal, noch bevor Tim den Eingang erreichte.
    Die Männer, die den Förderkorb bedienten, standen schreckensbleich am Einstiegsstollen und hatten die Maschinen zum Heraufholen des Korbes schon in Gang gesetzt.
    Während die Seile sich in Bewegung setzten, kam es im Berg zu einer dritten Explosion.
    »Das ist nicht hier drunter!«, rief einer der Männer. »Das ist weiter weg, eher südlich ...«
    Tim nickte. »Das ist Stollen neun ... oder das war er, viel kann davon kaum übrig sein. Ich hoffe, die Männer sind noch rausgekommen und dass es keinen Gas- oder Wassereinbruch gegeben hat! Ich muss da runter! Besorgen Sie mir eine Lampe.« Er warf einen Blick auf die Männer an der Haspel. Einer davon war ein alter walisischer Bergmann mit schwer geschädigter Lunge, der nicht mehr einfuhr. Der andere war ein junger Bursche. Tim meinte, ihn schon einmal unter Tage gesehen zu haben. »Sind Sie sonst nicht in Stollen sieben? Was tun Sie hier oben? Sind Sie krank?«
    Der Mann schüttelte den Kopf – und machte auch schon ungefragt Anstalten, sich aufs Einfahren vorzubereiten.
    »Meine Frau kriegt ein Kind. Sie glaubt, dass es heute so weit ist. Da meinte der Steiger, ich sollte heute hier helfen. Stollen sieben ist doch sowieso gestoppt, wegen der Schalholzlieferung. Also könnte ich auch näher bei Cerrin bleiben, hat der Steiger gesagt.«
    Tim biss sich auf die Lippen. Vielleicht hatte das Kind seinem Vater das Leben gerettet. Und jetzt setzte er es wieder aufs Spiel ...
    »Sie müssen trotzdem mit. Bis weitere Helfer da sind, kann es zu spät sein.«
    Tim bestieg den Förderkorb vor dem werdenden Vater. Der alte Bergmann machte eine segnende Bewegung, und Tim ertappte sich selbst bei einer Anrufung der heiligen Barbara. Das hier war ernst, und je tiefer der Korb sich in den Berg senkte, desto ernster erschien es ihm. Vom Lärm des Förderkorbs abgesehen herrschte Totenstille in der Mine. Die sonst üblichen Geräusche, das ständige Hämmern, das Rattern der Loren auf den Gleisen, das Geräusch der Schaufeln beim Wegschaffen des Abraums, die Stimmen von sechzig bis hundert hier arbeitenden Menschen – alles war verstummt.
    Der junge Mann bemerkte es ebenfalls, blickte Tim mit schreckgeweiteten Augen an und flüsterte: »Mein Gott ...«
     
    Sie fanden die ersten

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