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Das Lied der Maori

Das Lied der Maori

Titel: Das Lied der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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auch ihre innere Unruhe ein bisschen mit Caleb Biller zusammen. Kura war weit davon entfernt, in ihn verliebt zu sein, aber sie sehnte sich nach einem Mann! Solange sie unterwegs gewesen und mit der Organisation ihrer Unterkunft und ihrer Auftritte beschäftigt war, hatte sie es verdrängen können. Aber jetzt gab es keine Stunde mehr, in der sie nicht an William und die Freuden in seinen Armen dachte. Selbst Roderick Barrister erschien ihr im Nachhinein in einem besseren Licht. Und aktuell interessant war eben dieser Caleb Biller, der sie zu verehren schien.
    Allerdings war der Knabe merkwürdig. Einerseits hatte er sich bei der Trauerfeier sehr ritterlich gegeben, andererseits blieb er kalt wie ein Fisch, auch als sie sich scheinbar trostbedürftig auf ihn stützte. Kura hatte auf ihrer Reise mit dem Ensemble Männer kennen gelernt, die »vom anderen Ufer« waren, wie man raunte. Doch Caleb verhielt sich nicht wie sie. Vielleicht brauchte er einfach noch ein paar Anstöße.
    Immerhin erschien er gleich wieder im Wild Rover, als Kura erneut am Klavier saß, und wieder brauchte er seine zwei Single Malt, um Mut zu fassen, bevor er sie ansprach.
    »Miss Kura, ich muss mich noch einmal für Ihre Einführung in das Flötenspiel der Maoris bedanken! Ich fand es sehr beeindruckend. Und überhaupt finde ich die Musik der ... der ›Eingeborenen‹ faszinierend.«
    Kura zuckte die Schultern. »Sie brauchen sich nicht dafür zu entschuldigen, dass die Maoris Eingeborene sind«, erwiderte sie. »Außerdem stimmt das gar nicht. Sie sind ebenfalls zugewandert. Im 12. Jahrhundert, von einer Insel in Polynesien, die sie Hawaiki nennen. Welche genau es war, weiß man nicht. Dafür sind die Namen der Kanus überliefert, mit denen sie anreisten. Meine Vorfahren zum Beispiel kamen mit der 
Uruau
 nach Aotearoa.«
    »Aotearoa ist ihr Wort für Neuseeland, nicht wahr? Es heißt ...«
    »Große weiße Wolke«, meinte Kura gelangweilt. »Der erste Siedler hier hieß Kupe, und seine Frau Kura-maro-tini verglich die Inseln mit einer Wolke, als sie darauf zufuhren. Ich bin nach ihr benannt, um Ihre nächste Frage vorwegzunehmen. Soll ich jetzt ein Lied für Sie spielen?«
    Caleb Billers Augen strahlten. Doch es schien ihm eher um die Auskünfte zu gehen als um ihre Person. Kura war der Mann ein Rätsel.
    »Ja ... nein. Also ... diese Musik Ihres Volkes hat doch wahrscheinlich noch kein Mensch aufgeschrieben, oder?«
    »In Notenschrift?«, fragte Kura. »Nein, meines Wissens nicht.«
    Ihre Mutter war eine der besten Musikerinnen der Insel, aber Noten kannte Marama nicht. Auch Kura hatte die Lieder ihres Stammes immer nur nachgesungen; sie war nie auf die Idee gekommen, sie aufzuschreiben. Allerdings war ihre dahingehende Begabung auch beschränkt. Zwar konnte sie eine einfache Melodie in Noten fassen, doch die meist mehrstimmigen Darbietungen der Stämme hätten sie überfordert.
    »Und das ist doch eigentlich schade, nicht wahr?«, erkundigte sich Caleb. »Wie wäre es, wenn Sie mir zum Beispiel mal so einen Kriegsgesang vortragen ... wie nennt man ihn gleich? 
Haka
, nicht wahr?«
    »Ein 
haka
 ist nicht zwangsläufig ein Kriegsgesang«, entgegnete Kura. »Eher eine Art Singspiel. Man drückt Gefühle und oft auch eine kleine Handlung durch Gesang und Tanz aus. Der Gesang ist in der Regel mehrstimmig.«
    »Dann müssten Sie mir alle Stimmen nacheinander vorsingen!«, meinte Caleb eifrig. »Wobei es bei den Männerstimmen natürlich schwierig würde. Oder gibt es den 
haka
 auch allein für Frauen?«
    Kura nickte. »Es gibt alle möglichen 
haka
. Meistens mit verteilten Rollen. Dieser hier zum Beispiel wird bei Beerdigungen aufgeführt. Es gibt keine spezielle Choreographie. Jeder kann tanzen, wie er will, und die Sänger sind Männer und Frauen oder auch nur Männer oder nur Frauen.«
    Sie spielte ein paar Töne auf dem Klavier und begann dann mit ihrer betörenden Stimme zu singen. Die Melodie passte gut zur derzeit gedrückten Stimmung im Pub; Kuras Stimme spiegelte die Trauer so eindringlich wider, dass bald alle Gespräche im Wild Rover verstummten.
    Als Kura endete, hob ein alter Bergmann sein Glas auf die Opfer der Lambert-Mine. Danach wünschten sich die Männer 
Danny Boy
.
    Caleb wartete geduldig, bis auch der letzte alkoholselige Ire seine Trauer stimmlich ausgedrückt hatte. Es dauerte Stunden. Kura war dabei jedoch nicht unzufrieden. Die endlosen Trauerlieder fielen ihr zwar auf die Nerven, aber die Männer

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