Das Lied der Maori
arbeiteten erfolgreich, und einer seiner Kunden orderte alle paar Monate neue Nähmaschinen, da er sein Geschäft ständig ausweitete. Die Idee, auf diese Art gleich mehrere Maschinen auf einmal loszuschlagen, sorgte bei der Vertriebsleitung für eine kleine Sensation. Man lud William ein, im Schulungszentrum der Nordinsel Vorträge darüber zu halten, und betraute ihn mit einem weiteren interessanten Bezirk. Inzwischen fuhr William mit einem standesgemäßen Wagen und einem eleganten Pferd davor durch die Lande, kleidete sich nach neuester Mode und genoss sein neues Leben. Lediglich die Tatsache, dass er Kura und ihr Opernensemble nicht hatte aufspüren können, war ihm ein Dorn im Auge – obwohl er streng genommen gar nicht gewusst hätte, wie sein und ihr Leben sich wieder hätten verbinden können. Nähmaschinenwerbung und Operndarbietungen wären kaum vereinbar gewesen, und bestimmt hätte Kura keine Lust gehabt, sich gleich wieder von ihrer Karriere zu verabschieden. Inzwischen, überlegte William, als er sein Pferd auf der Suche nach der Hauptvertretung der Firma Singer durch die belebten Straßen Wellingtons lenkte, waren die Sänger längst in Australien, auf der Südinsel oder gar in Europa. Ob sie Kura mitgenommen hatten? William glaubte es eigentlich nicht. Der Chef der Truppe hatte nicht den Eindruck gemacht, als dulde er irgendwelche Götter neben sich. Und Kura hätte in Europa sicher das Zeug zu einem Star. Selbst wenn es für die große Oper nicht reichte – allein ihr Aussehen würde ihr den Weg ebnen.
William fand schließlich das Bürohaus und einen Platz für Pferd und Wagen im Hinterhof. Der Verkaufsdirektor der Firma hatte ihn persönlich zu einem Gespräch gebeten, und William war gespannt, aber nicht besorgt. Er kannte seine Verkaufszahlen und rechnete eher mit einer Prämie als einer Ermahnung. Vielleicht gab es auch neue Aufgaben. Er band das Pferd an, nahm die Mappe mit seinen letzten Abschlüssen aus dem Wagen und strich rasch das letzte Staubkörnchen von seinem grauen Dreiteiler. Der Anzug stand ihm vorzüglich – und war natürlich nicht, wie er stets behauptete, in einer der neuen Manufakturen mit Singer-Nähmaschinen gefertigt, sondern von Aucklands bestem Herrenschneider.
Daniel Curbage, der Verkaufsdirektor, begrüßte ihn freundlich.
»Mr. Martyn! Nicht nur pünktlich auf die Minute, sondern auch noch mit einem Schwung neuer Kaufverträge unter dem Arm!«
Der Mann erfasste den Inhalt von Williams Mappe sofort. »Ich muss Ihnen nicht sagen, wie sehr uns Ihr Einsatz immer wieder imponiert! Kann ich Ihnen etwas anbieten? Kaffee, Tee, ein Drink?«
William entschied sich für Tee. Zwar war der Whisky hier sicher hervorragend, aber er hatte längst gelernt, dass erfolgreiche Verhandlungen einen klaren Kopf verlangten, wobei es stets einen besseren Eindruck machte, nicht gleich zum Alkohol zu greifen.
Mr. Curbage nickte denn auch wohlgefällig und wartete, bis sein Sekretär den Tee gebracht hatte. Erst dann rückte er mit seinem Anliegen heraus.
»Mr. William, Sie wissen selbst, dass Sie eine Spitzenkraft in unserem Gewerbe darstellen – und man hat Sie während der Ausbildung selbstverständlich auf mögliche Aufstiegschancen innerhalb der Firma hingewiesen.«
William nickte, obwohl er sich kaum erinnerte. Damals hatte er sich eher mit dem Nähen von Hohlsäumen herumgeplagt als mit Karriereplanung.
»Vom Vertriebsleiter für größere Bezirke bis ... ja, bis zu meinem Posten hier können Sie aufsteigen.« Mr. Curbage lachte herzlich, als wäre Letzteres natürlich ein allzu gewagter Griff nach den Sternen. »Und ich hatte Sie eigentlich schon für eine leitende Position hier im Hause vorgesehen.« Er sah William beifallheischend an.
William bemühte sich, den Blick angemessen interessiert zu erwidern. Im Grunde war er gar nicht so wild auf einen Schreibtischjob. Der Posten musste schon sehr gut dotiert sein, um ihn von der Straße fortzulocken.
»Allerdings meinte der Vorstand in England – Sie wissen ja, wie diese Leute sind –, dass Sie mit nur gut einem Jahr Erfahrung vielleicht doch noch ein bisschen zu ... nun, zu grün für eine solche Aufgabe wären. Außerdem scheinen die Herren zu glauben, in der Umgebung größerer Städte wie Auckland verkauften die Maschinen sich von selbst.«
William wollte etwas einwenden, doch Curbage gebot ihm mit einer beschwichtigenden Handbewegung Einhalt. »Sie wissen und ich weiß, dass es nicht so ist. Aber wir kommen ja auch
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