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Das Lied der Maori

Das Lied der Maori

Titel: Das Lied der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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beide aus der Praxis. Die Herren im Vorstand dagegen ...« Curbages Gesichtsausdruck machte deutlich, was er von den Bürohengsten im fernen London hielt. »Nun, darüber lohnt sich nicht zu reden. Wichtig für Sie und mich ist nur, dass ich Ihnen nun doch noch eine Art Bewährungsprobe abfordern muss. Bitte sehen Sie das nicht als Affront oder gar als Bestrafung an. Im Gegenteil, nehmen Sie es als ein Sprungbrett! Ihr Vorgänger, Carl Latimer, hat kürzlich die Leitung des Ausbildungszentrums auf der Südinsel übertragen bekommen.«
    Williams Gedanken arbeiteten rasch. »Carl Latimer? Der bereiste doch die Westküste der Südinsel.«
    Curbage nickte strahlend. »Sie haben ein exzellentes Gedächtnis, Mr. Martyn. Oder kennen Sie ihn? Sie kommen auch von der Südinsel, nicht wahr? Nun, vielleicht freut es Sie ja sogar, dorthin zurückzukehren ...«
    William biss sich auf die Lippen.
    »Mr. Curbage, Latimer hat die Westküste mit Nähmaschinen gepflastert!«, wagte er einzuwenden. »Der Kerl ist ein Genie, der hat praktisch jedem menschlichen Wesen eine Singer angedreht, das auch nur andeutungsweise weiblich war!«
    Mr. Curbage lächelte. »Nun, da bleibt Ihnen noch der fünfzigprozentige männliche Anteil der Bevölkerung«, scherzte er. »Und wie man den anpackt, haben Sie doch hier in Auckland bewiesen!«
    William unterdrückte ein Seufzen. »Kennen Sie die Westküste, Mr. Curbage? Wahrscheinlich nicht, sonst hätten Sie den Männeranteil höher eingeschätzt. Ich denke mal, er liegt bei achtzig bis neunzig Prozent der Bevölkerung. Und das ist der harte Kern von Kiwi-Land! Seehundjäger, Walfänger, Bergleute, Goldgräber ... und sobald sie einen Cent in der Tasche haben, tragen sie ihn in den nächsten Pub. Garantiert lässt sich da keiner auf die Idee ein, eine Näherei aufzumachen. Wo sollte er auch die Näherinnen hernehmen? Wenn ein Mädel nicht prüde ist, verdient sie im Pub viel mehr.«
    »Wieder eine Möglichkeit für Sie, William, zu expandieren«, meinte Curbage salbungsvoll, zu einer vertraulicheren Anrede übergehend. »Retten Sie diese Mädchen vor sich selbst! Machen Sie ihnen klar, dass ein ehrbares Leben als Näherin sehr viel erstrebenswerter ist als das Dasein in Sünde! Außerdem wandern doch immer mehr Bergarbeiter zu, manche mit ganzen Familien. Deren Frauen sollten sich freuen, wenn sie etwas dazuverdienen können.«
    »Nur haben die keine hundertfünfzig Dollar für die Maschine. So viel kostet sie ja mittlerweile«, bemerkte William trocken. »Ich weiß nicht, Mr. Curbage ...«
    »Sagen Sie bitte Daniel zu mir. Und sehen Sie nicht so schwarz. Sobald Sie Ihren neuen Bezirk kennen lernen, wird Ihnen schon etwas einfallen! Wobei ich auch an ein neues Abzahlungsschema speziell für Bergarbeiterfamilien denke. Machen Sie etwas aus Ihrer neuen Aufgabe, William. Lassen Sie mich stolz auf Sie sein. So, wie wäre es jetzt mit einem Drink? Ich habe erstklassigen Whisky.«
    William war ein wenig niedergeschlagen, als er das Kontor schließlich verließ. Der neue Bezirk reizte ihn wenig. Und er würde ganz von vorn anfangen müssen: Selbst wenn er Pferd und Wagen mit auf die Südinsel nehmen könnte, eigneten sich das feurige Tier und die schnittige kleine Chaise kaum für die verschlammten Wege der Westküste. Ebenso wenig wie seine elegante städtische Kleidung. Er würde wieder Stiefel, Ledersachen und Wachsmäntel brauchen. Dreihundert Regentage im Jahr und kaum Schaffarmen mit einsamen Herrinnen – dafür Hotels mit Wucherpreisen, die ihre Zimmer gewöhnlich nur stundenweise vermieteten. William graute es vor den ungezieferverseuchten Unterkünften. Andererseits musste er positiv denken, sonst konnte er seine Umsätze vergessen. Schließlich hatte auch Carl Latimer an der Westküste annehmbar verkauft, und die Städte dort prosperierten. Das hieß, dass es immer mehr Damen gab – und damit Kundinnen für William.
    Der junge Mann straffte sich. Sein Ehrgeiz war geweckt. Wahrscheinlich ließen sie ihn kaum länger als ein Jahr an der Westküste, und in dieser Zeit würde er sein Bestes tun, Latimers Wundertaten noch zu überbieten. Was war überhaupt mit den Maoris? Hatte schon mal jemand eine Singer an eine Eingeborene verkauft?
    Noch am gleichen Tag erkundigte William sich nach Fährverbindungen nach Blenheim. Eine Woche später übergab er seinen Bezirk an seinen Nachfolger und verkaufte ihm auch gleich Pferd und Wagen. Schließlich trat er nur mit seiner alten Demonstrationsmaschine die Reise

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