Das Lied der Maori
dazu gebracht hatte, ihn mit dem Vornamen anzureden.
»Du bist mir also nicht mehr böse?«, fragte er schließlich. Dieses Haus gefiel ihm. Es war warm, die Bar bestimmt gut bestückt – und Heather war hübscher denn je. Vielleicht hatte sie Lust, ihre frühere Bekanntschaft aufzufrischen. William rückte ein bisschen näher an sie heran. Heathers Spiel mit ihrem aufgesteckten Haar löste die nächste Strähne.
»Warum sollte ich dir böse sein?«, bemerkte sie. Die kühlen Blicke, die sie ihm kurz zuvor noch zugeworfen hatte, schien sie bereits vergessen zu haben. »Im Nachhinein war es doch eine sehr glückliche Fügung. Wären wir zusammengeblieben, wo wäre ich dann? Die Frau eines Handelsvertreters ...« Es klang ein wenig verächtlich, aber William lächelte nur. War doch klar, dass sie mit ihrem neuen Reichtum prahlte. Jetzt war sie die Besitzerin des herrschaftlichen Hauses. Sein Rang war niedriger, mochte er noch so erfolgreich Nähmaschinen verkaufen. Wahrscheinlich würde er es niemals aus eigener Kraft zu einem solchen Anwesen bringen – selbst dann nicht, wenn er in der Hierarchie von Singer aufstieg.
Dafür hatte er andere Qualitäten. William legte eine Hand leicht auf Heathers und spielte mit ihren Fingern.
»Dafür wärest du aber als eine der ersten Frauen der Südinsel in den Besitz einer Nähmaschine gelangt«, scherzte er. »Das sind kleine Wunderwerke, und im Gegensatz zum Umgang mit Nadel und Faden bleiben deine Hände dabei so weich und zart, wie sie sind.« Er streichelte jeden Finger einzeln, wobei er mit sanfter Stimme aufzählte, wie viele Stiche eine moderne Singer der gepflegten Frauenhand ersparte, und ihr schließlich konkreter, aber schon mit etwas schwererem Atem erklärte, für welche wundervollen anderen Dinge man die ersparte Zeit nutzen konnte.
Am Ende kamen Heathers Köchin und ihr Hausmädchen zu einem unerwartet freien Abend, die Kinder zu einem mit einem winzigen Schuss Laudanum versetzten Schlaftrunk und William zu einer äußerst erquicklichen ersten Nacht auf der Südinsel. Heather erinnerte sich an alles, was er sie gelehrt hatte – und sie schien ausgehungert nach Liebe. Mr. Redcliff war zweifellos ein Gentleman, aber auch kalt wie ein Fisch.
»Dir obliegt doch auch der Kundendienst, nicht wahr?«, fragte Heather, als sie sich im Morgengrauen ein letztes Mal voneinander lösten. »Man kann sich an dich wenden, wenn etwas an diesen ... äh ... Nähmaschinen kaputtgeht?«
William nickte und streichelte ihren noch flachen Bauch. Ein weiteres Kind schien Mr. Redcliff noch nicht angelegt zu haben, doch Heather hatte ihm erzählt, dass sie es durchaus versuchten. Womöglich war man dem Ziel ja heute etwas nähergekommen ...
»Bei normalen Kunden komme ich dann bei der nächsten Gelegenheit vorbei«, wisperte William und tastete sich tiefer. »Aber bei besonderen Kunden ...«
Heather lächelte und bog sich seiner Hand entgegen.
»Ich brauchte natürlich noch eine ausführliche Einführung ...«
Williams Finger spielten mit ihrem weichen, blonden Schamhaar. »Einführungen sind meine Spezialität ...«
Heather benötigte zwei Nachmittage in seinem Hotelzimmer, bevor sie die Technik vollständig beherrschte. Danach unterschrieb sie den Kaufvertrag für eine Nähmaschine.
William sandte ihn triumphierend nach Wellington. Der Aufenthalt auf der Südinsel ließ sich hervorragend an.
7
Timothy Lambert lag seit fünf Monaten im Gipsbett. Er überstand die rasenden Schmerzen der ersten Monate und die bohrende Langeweile der letzten Wochen, die ihn rastlos und unleidlich werden ließ. In der Lambert-Mine lief nichts wirklich so, wie es sollte. Viele Chancen zur Erneuerung und Veränderung nach dem Unfall wurden bei den Instandsetzungsarbeiten nicht genutzt. Tim brannte darauf, sich wieder einzumischen. Aber wenn sein Vater sich überhaupt bei ihm blicken ließ, schien er sich vorher Mut antrinken zu müssen, blickte mit glasigen Augen durch seinen Sohn hindurch und beantwortete dessen Fragen nach der Mine mit Gemeinplätzen. Tim machte das rasend, doch er überstand auch die Ignoranz seines Vaters und das Gejammer seiner Mutter – und schaffte es überdies fast immer, zu lächeln, zu scherzen und Optimismus zu zeigen, wenn Lainie am Abend vorbeikam.
Berta Leroy bemerkte fasziniert, dass Tim seine schlechte Laune niemals an ihr ausließ – wie manchmal an anderen regelmäßigen Besuchern. Und wie schlecht es ihm in der ersten Zeit auch gehen mochte, wie
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