Das Lied der Maori
abgetrennte Box, ein Heulager, bevor sie seinem Drängen nachgab. William warf seinen Mantel ab und öffnete ihr Mieder. Und dann vergaß Kura alles um sich herum, konnte nur noch fühlen und brennen und lieben ...
Roly O’Brien hörte Stöhnen und Lachen und starrte verblüfft auf das Pärchen im Heu. Matt Gawain hatte den Jungen in den Stall geschickt, um ein paar Papiere aus seiner Satteltasche zu holen. Und jetzt das ... Roly zog sich leise zurück, allerdings nicht so weit, dass ihm weitere Einblicke verborgen blieben.
Natürlich war er als Bergarbeiterkind, das in einer Kate aufgewachsen war, in der Eltern und fünf Kinder einen einzigen Raum teilten, nicht völlig überrascht von dem, was er da beobachtete. Aber das fantasievolle Spiel dieser beiden hatte mit der schnellen, verschämten Liebe seiner Eltern, der er früher oftmals gelauscht hatte, nicht viel gemeinsam. Roly versuchte, die Liebenden zu erkennen. Langes tiefschwarzes Haar ... nein, das war keins von Madame Clarisse’ Mädchen, das hier ihre Gunst gewährte. Und der Mann ... Er war blond, aber viel mehr konnte Roly nicht erkennen. Schließlich sah er das Gesicht des Mädchens. Miss Kura! Die Pianistin vom Wild Rover.
Roly wusste nicht, wie lange er in seinem Versteck ausharrte und den beiden fasziniert zusah. Aber irgendwann ging ihm auf, dass Mr. Tim und Mr. Matt ziemlich dringlich nach den Papieren in Gawains Satteltasche verlangt hatten. Wenn er nicht bald erschien, würden sie ihm jemanden hinterherschicken ... Bedauernd riss Roly sich los und tastete sich möglichst lautlos zu den Pferden. Matts Fuchsstute war auch ohne Stalllaterne leicht zu erkennen. Um keinen Lärm zu machen, wühlte Roly gar nicht erst in ihren Satteltaschen, sondern löste rasch die Lederschlaufen und nahm gleich die ganzen Taschen mit. So gelang es ihm, ungesehen ins Freie zu schlüpfen. Er grinste wie ein Honigkuchenpferd, als er den Schankraum betrat.
»Warum hat das so lange gedauert?«, fragte Matt Gawain unwirsch, als Roly die Taschen vor ihn auf den Tisch legte. »Hast du die Pläne nicht gefunden?«
Roly schlug verschämt die Augen nieder, doch um seine Lippen spielte ein Lächeln. »Nein, Mister ... äh ... Matt.« Es fiel ihm immer noch schwer, den Steiger bei seinem Vornamen zu nennen. »Es war nur ... ich war nicht allein im Stall.«
Tim Lambert verdrehte die Augen. »Wer war denn noch da? Musstest du ein längeres Gespräch mit Fellow führen? Oder mit Banshee?«
Roly kicherte. »Nein, Mr. Tim. Aber ich wollte nicht stören. Weil nämlich ... im Stall treibt es die Klavierspielerin aus dem Rover mit ’nem blonden Mann! Und sie treiben es toll!«
Die Männer am Stammtisch blickten einander an – dann lachten sie auf.
»Stellen wir hiermit also fest«, bemerkte Ernie Gast, »dass wir Caleb Biller durchweg unterschätzt haben!«
Elaine war erschrocken und aufgewühlt, als sie William wiedersah – allerdings längst nicht so betroffen, wie sie vorher befürchtet hatte. Vielleicht war es hilfreich, dass sie ihm hoch zu Ross entgegenkam, während er die Main Street zu Fuß entlangspazierte. Und bestimmt war es hilfreich, dass Timothy Lambert neben ihr ritt. Zudem traf es sie nicht unvorbereitet, denn die Geschichte von Kura Martyns plötzlich aufgetauchtem Ehemann hatte sich natürlich in Windeseile verbreitet. Matt hörte sie am Morgen von Jay Hankins, der eine Lieferung Eisenteile in die Mine brachte, und Tim erfuhr die Story dann gegen Mittag von Matt. Daraufhin ließ er alles stehen und liegen und bat Roly, Fellow zu satteln. Er musste Lainie unbedingt erwischen, bevor sie William begegnete, und tatsächlich riss er sie schließlich aus dem Schlaf, denn der Abend im Pub war lang gewesen. Lainie freute sich über den Besuch, doch Tims Information ließ sie dann erblassen.
»Irgendwann musste so etwas passieren, ich sag es dir ja schon seit Wochen!« Tim streckte sich neben ihr aus. Er hatte es geschafft, Fellow fast die Hälfte der Strecke im Galopp zu halten und danach ohne Hilfe vom Pferd und wieder auf die Beine zu kommen. Seine Gehhilfen pflegte er jetzt hinter dem Sattel festzuschnallen. Die Sache mit William beschäftigte ihn allerdings so sehr, dass er jetzt weder allzu große Schmerzen noch Stolz über seine Leistung empfand. »Jetzt haben wir einen Mitwisser mehr, und wer weiß, ob der Kerl schweigen kann.«
»Er war bei den Feniern, den irischen Terroristen. Natürlich kann er schweigen ...«
Elaine beschäftigten ganz andere
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