Das Lied der Maori
entspannt, beinahe so, als wäre hier nur ein kleines Missgeschick passiert, das wahrscheinlich auf einen Defekt am Wagen zurückging.
»Kannst du mal nachschauen, was mit meinem linken Vorderrad ist? Irgendwas blockiert da.«
»Mein Gott, Lainie ...« William wiederholte seine Worte von eben, aber jetzt klang seine Stimme noch heiserer, und er blickte starr auf den Wagen. Das linke Vorderrad ...
Elaine machte Anstalten, herunterzuklettern und selbst nachzusehen.
»Nein, guck da nicht hin, tu dir das nicht an!« William keuchte, aber er musste ihr wenigstens das ersparen.
In den Speichen des Rades, gehalten von den Fetzen seines langen Wachsmantels, hingen die Überreste von John Sideblossom. William fiel eher vom Pferd, als dass er abstieg. Er taumelte an den Straßenrand, um sich zu übergeben.
Elaine blieb folgsam auf dem Bock. Doch sie las in Williams Gesicht, was er gesehen hatte. Sie hatte Sideblossom fallen sehen; sie musste wissen, was geschehen war. Schlagartig kam ihr nun auch alles andere zu Bewusstsein, und sie begann unkontrolliert zu zittern. William hob sie vom Bock und führte sie zur Seite.
»Es sind Decken im Wagen. Du solltest die Pferde eindecken ...« Elaines Zähne klapperten, doch sie hielt jetzt an dem fest, was man ihr beigebracht hatte. Wenn sie weiterdachte als nur daran, die Pferde zu versorgen, würde sie verrückt werden. William blickte sie jetzt schon an, als wäre sie nicht mehr bei Verstand. Er holte die Decken, legte eine um Elaine, die andere über die Leiche – die irgendjemand von diesem Wagen entfernen musste, bevor man ihn wieder in Gang setzen konnte. William sah sich mit dieser Aufgabe konfrontiert, brachte es aber nicht über sich.
»Würdest du bitte die Pferde eindecken«, sagte Elaine und blickte starr geradeaus.
Er konnte es genauso gut tun. Vor allem sollte er die Pferde irgendwo anbinden. Nicht auszudenken, dass das Gespann noch einmal durchging und die Leiche weiterschleppte. Ein paar Yards entfernt standen Bäume, aber dahin hätte er die Pferde führen müssen. Vielleicht konnte er sie ausspannen ... William machte sich ungeschickt an den Geschirren zu schaffen.
Zum Glück machten die Pferde keine Anstalten, sich vom Fleck zu bewegen, sondern standen keuchend und mit zitternden Flanken da. Nur Fellow tappte langsam zu Elaine. Sie griff seine Zügel. William versorgte die Pferde. Er arbeitete mechanisch ... nur nicht grübeln, nur nicht daran denken, was geschehen war ...
»Tim ...«, sagte Elaine. »... hast du ...«
»Ich habe mit ihm gesprochen, Lainie, er ist in Ordnung.«
Oder auch nicht. William dachte an Tims schmerzverzerrtes Gesicht. Nur nicht denken ... Er legte den Arm um Elaine. Callie begann zu bellen.
Lainie zog die Decke fester um sich.
Plötzlich spitzte Fellow die Ohren, und sogar die Wagenpferde rührten sich.
»Hufschlag«, flüsterte Elaine. Sie zitterte heftiger. »Glaubst du, er ...«
»Elaine, John Sideblossom ist tot. Er kann dir nichts mehr tun. Ich nehme an, Tim hat uns Leute hinterhergeschickt ... könntest du den Hund zum Schweigen bringen? Warum bellt er bloß immer, wenn ein Mann dich anfasst?«
William stand auf.
»Sie bellt nicht bei jedem«, flüsterte Elaine.
5
Jay Hankins, der Schmied mit seiner hochbeinigen Stute, war der Erste, der die beiden erreichte. In seinem Gefolge kamen der Constabler, der Friedensrichter sowie Ernie und Matt.
»Gütiger Himmel, Mr. Martyn! Wie haben Sie den Wagen denn hier gestoppt?« Hankins schaute auf den stark abschüssigen Weg. »Und wo ist der Kerl, der ...«
William zeigte auf die inzwischen durchgeblutete Decke.
»Es war ein Unfall. Und den Wagen hat Lainie gestoppt ...«
Elaine schaute ihn verwundert an. Wo war der großspurige William, der Irland beinahe ganz allein von den englischen Besatzern befreit hatte?
»Trotzdem, ganz schön mutig, Mr. Martyn. Der Mann hatte doch bestimmt eine Waffe ... Sind Sie in Ordnung, Lainie?« Matt half Lainie auf, die schon wieder zitterte. Callie bellte diesmal nicht.
»Ich glaube, hier sind trotzdem noch einige Erklärungen fällig«, meinte der Constabler, hob eine Ecke der Decke hoch und verzog das Gesicht. »Aber erst müssen wir diese ... das alles hier aufräumen. Haben wir zwei Männer mit starken Mägen? Und wie kriegen wir das Mädchen nach Hause?«
Elaine lehnte sich an Matt Gawain. »Tim?«, fragte sie wieder.
Matt zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, Lainie. Der Doktor kümmert sich um ihn. Aber er war wach und
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