Das Lied der Maori
dagegen erwartete dessen Urteil eher hoffnungsvoll.
Der Polizist schaute verwirrt von einem zum anderen. »Was ist nun wieder mit Blenheim?«
William klärte ihn auf, wobei er die Wichtigkeit von Elaines und Kuras Auftritt etwa in den Bereich der Rettung der Südinsel vor barbarischen Invasoren rückte. Tim verdrehte die Augen.
»Mein Gott, William, es ist doch nur ein Konzert ...«
»Für Kura ist es mehr«, widersprach Lainie. »Und ich laufe bestimmt nicht weg, Constabler!«
Der Constabler schüttelte den Kopf und kaute auf seiner Oberlippe. Eine Gewohnheit, die er mit Lainie gemeinsam hatte. Sie lächelte ihn an.
»Das befürchte ich weniger, Miss Lainie«, meinte er schließlich. »Ich sorge mich mehr um Ihre persönliche Sicherheit. Dieser Thomas Sideblossom wird spätestens morgen vom Tod seines Vaters erfahren. Sind Sie sicher, dass er dann keinen Racheakt plant? Wäre er dazu fähig?«
Elaine wurde abwechselnd weiß und rot. »Thomas wäre zu allem fähig ...«, flüsterte sie.
»Das war er vielleicht mal!«, warf William ein. »Aber nach diesem Vorfall mit der Pistole ...«
Tim registrierte mit widerwilliger Bewunderung, wie vorsichtig er sich ausdrückte. Der Mann mochte ein zögernder Reiter sein, aber als Anwalt wäre er ein Ass gewesen.
»Er verlässt kaum das Haus und ist ständig auf Hilfe angewiesen. Constabler, er ist so gut wie blind!«
»Aber die Planung eines Anschlags wäre ihm zuzutrauen?«, beharrte der Constabler.
»Wir werden Lainie einfach nicht aus den Augen lassen!«, erklärte William.
Der Constabler warf seinen Besuchern skeptische Blicke zu. Der erschöpfte Tim auf seinen Krücken – und William, dem schon beim Anblick einer Leiche schlecht wurde. Als Leibwächter hätte er beide nicht eingestellt.
»Sie müssen es wissen, Miss Lainie«, meinte er schließlich. »Aber bedenken Sie, dass zumindest die Geister der Maoris Sie nicht mehr beschützen, wenn Sie Greymouth verlassen.« Er lächelte mühsam.
»Die waren gestern auch nicht sehr hilfreich«, bemerkte Elaine.
William und Tim begannen sofort wieder zu streiten, als sie das Büro verließen und dem Friedensrichter zum Telegrafenamt folgten. Elaine hatte ein seltsam leichtes Gefühl, als ob sie über allem schwebte. Aber da war noch ...
»Mr. Farrier ... meine Eltern in Queenstown ... Können wir denen vielleicht auch telegrafieren? Wenn jetzt sowieso alles rauskommt ...«
Sie sah noch, dass der Friedensrichter antwortete, denn seine Lippen bewegten sich, doch irgendwie nahm sie seine Worte nicht wahr. Alles begann sich plötzlich zu drehen, ähnlich wie am Tag zuvor, doch Elaine fand diesmal nicht mehr in die Wirklichkeit zurück, sondern verlor sich in einer Wolke. Nicht unangenehm, aber weit, weit fort ...
Elaine hörte die Stimmen wie von fern, als sie langsam wieder zu sich kam.
»War wohl alles ein bisschen viel für sie ...«
»Die Kopfverletzung ...«
»Es darf nicht sein, dass ihr was passiert ...«
Die letzte Stimme gehörte Tim. Und sie klang leer, verzweifelt und müde.
Elaine schlug die Augen auf und sah sich Dr. Leroy gegenüber, der ihren Puls fühlte.
Tim und die anderen Stimmen waren nicht im Raum ... anscheinend hatte man sie in das kleine Hospital gebracht. Hinter dem Doktor hantierte Berta.
»Habe ich ... ist es was Ernstes?«, fragte sie leise.
Dr. Leroy lächelte. »Etwas sehr Ernstes, Miss Lainie! In der nächsten Zeit müssen Sie unbedingt ordentlich essen, sich nicht so fest schnüren ...«
Jetzt bemerkte Elaine, dass jemand ihr Mieder und Korsett geöffnet hatte, und errötete pflichtschuldigst.
»... und vor allem Ihre persönlichen Angelegenheiten in Sachen Scheidung und Ehe in Ordnung bringen. Sie sind schwanger, Miss Lainie! Und wenn ich das Kind hole, würde ich Sie lieber mit Misses ansprechen!«
»Wenn das Kind zur Welt kommt, sind wir längst in Wales!«, sagte Tim zärtlich. Berta Leroy hatte ihm die Nachricht überbracht und ihn zu Elaine vorgelassen. Der jungen Frau selbst würde sie erst wieder erlauben aufzustehen, wenn sie ordentlich gefrühstückt hatte. Roly war schon auf dem Weg zum Bäcker – und damit war die Nachricht schneller in Greymouth verbreitet, als jeder Telegraf es geschafft hätte. »Wir lassen das alles hier hinter uns. Ich will mich nie mehr vor diesem Sideblossom fürchten müssen.«
»Vielleicht bin ich im Gefängnis, wenn das Kind zur Welt kommt ...«, murmelte Elaine. »Es gibt doch einen Prozess, Tim, du kannst den Kopf nicht
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