Das Lied der Maori
ansprechbar und hat uns erzählt, was passiert ist. Wir schicken jetzt Hankins mit seinem Rennpferd nach Hause. Er soll eine Kutsche holen, und dann sind Sie bald wieder bei Tim. Vielleicht erfährt Jay ja auch schon Näheres ...«
Elaine schüttelte heftig den Kopf. Sie fror entsetzlich, und ihr war elend vor Angst, aber das wurde auch nicht besser, wenn sie hier noch eine Stunde am Straßenrand wartete.
»Ich habe selbst ein Rennpferd«, sagte sie und zeigte auf Fellow. »Das wird die Strecke wohl noch mal schaffen.«
»Sie wollen reiten, Miss Lainie?«, fragte der Constabler. »In Ihrem Zustand?«
Elaine sah an sich herunter. Ihr Kleid war schmutzig und zerrissen, ihre Handgelenke zeigten Spuren der Fesseln, und so, wie ihr Kopf sich anfühlte, hatte sie Blutergüsse und Abschürfungen im Gesicht. Aber sie wollte zu Tim ...
Und dann fiel ihr ihre Großmutter ein. Elaine versuchte ein Lächeln, aber ihre Worte klangen dann doch beinahe ernst: »Wenn man nicht mehr reitet, ist man tot.«
Elaine wäre am liebsten galoppiert, nahm aber Rücksicht auf Fellow und beschränkte sich auf leichten Trab. Matt und Jay, die sie begleiteten, schüttelten trotzdem noch den Kopf über das Tempo, das sie vorlegte.
»Sie können ihm doch nicht helfen, Miss Lainie«, meinte Jay.
Elaine warf ihm einen mörderischen Blick zu, antwortete aber nicht. Sie war zu müde und zu verfroren, um zu reden. Eigentlich hätte sie am liebsten geweint. Trotzdem beherrschte sie sich eisern und machte sogar Anstalten, Fellow in den Stall zu bringen, als sie endlich das Haus der Lamberts erreichten. Matt nahm ihr Fellow ab.
»Nun gehen Sie schon ...«
Elaine stolperte durch die Empfangsräume, den Salon ... es waren immer noch Gäste da, die aufgeregt durcheinanderredeten, doch sie nahm kaum wahr, wenn jemand sie ansprach. Schließlich gelangte sie in die Korridore vor dem Küchentrakt und zu Tims Räumen ...
Elaine brach erst zusammen, als sie Tim auf seinem Bett liegen sah. Genauso still und blass wie am ersten Tag nach dem Unfall. Das durfte nicht sein, nicht nach alledem! Sie schluchzte hysterisch, konnte sich nicht mehr aufrecht halten.
Berta Leroy fing sie auf.
»Na, na, Lainie ... nun wollen wir doch nicht schlappmachen! Roly? Habt ihr hier Whisky?«
»Lainie!« Tims Stimme.
Elaine wehrte Berta ab und schleppte sich zu Tims Bett. Er richtete sich auf, als sie sich daneben auf die Knie sinken ließ. »Dieser hoffnungslose William hat es tatsächlich geschafft? O Gott, ich dachte, ich müsste ihn mit meinen Krücken aufs Pferd prügeln! Und dann wollte er auch noch über die Richtung diskutieren!«
»Tim, du ...« Elaine schmiegte ihr Gesicht an seine Hände, tastete über seinen Körper ... keine Verbände ... auch wenn er leicht zusammenzuckte, als sie seine linke Seite berührte.
»Ziemlich schwere Prellungen«, meinte Berta Leroy und reichte Elaine ein Glas. »Aber gebrochen ist nichts, machen Sie sich keine Sorgen.«
Elaine weinte wieder, aber diesmal aus Erleichterung. Sie nippte an ihrem Glas und schüttelte sich.
»Das ist kein Whisky ...«
»Nein, das ist Laudanum.« Berta zwang sie, das Glas zu leeren. »Ich hab’s mir überlegt mit dem Schnaps. Davon werdet ihr nur redselig – von rührselig mal ganz zu schweigen. Stattdessen wird jetzt geschlafen. Sie auch, Tim! Sonst nehme ich meinen Mann beim Wort und lasse Sie wirklich nicht mit zu dieser Vernehmung!«
Es war eine übernächtigte Gruppe, die sich am nächsten Morgen im Büro des Constablers zusammenfand.
Elaine war gegen Morgen trotz des Laudanums aufgewacht und direkt aus ihren Albträumen in Tims Bett gestolpert. Tim, der trotz des Morphiums wach lag und grübelte, rückte bereitwillig beiseite und hielt sie im Arm, während sie ihm stammelnd und schluchzend eine ziemlich wirre Version der Ereignisse um Sideblossoms Tod lieferte. Als sie schließlich an seiner Schulter einschlief, wagte er sich nicht mehr zu rühren, fand deshalb die ganze Nacht keine bequeme Liegeposition und war am Morgen entsprechend verspannt.
Elaine hatte auch am Morgen noch Kopfschmerzen und fiel von einem Weinkrampf in den anderen. Ihre gefasste Haltung gleich nach der Entführung war dem völligen Gegenteil gewichen. So brach sie schon beim Anblick ihres völlig ruinierten Verlobungskleides zum ersten Mal in Tränen aus und weinte dann gleich gerührt weiter, als Charlene mit Kleidung zum Wechseln erschien.
»Nun wein doch nicht! Mrs. O’Brien macht dir ein neues Kleid«,
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