Das Lied der Maori
eine wichtige Persönlichkeit, und Elaine hatte angedeutet, es gäbe auch etwas zu feiern. »Mir haben sie ja nichts gesagt, aber Onkel George hat meinem Vater gestern noch telegrafiert, und danach war er ganz fröhlich und hat mit dem Hotel wegen dieses Dinners verhandelt. Mit Champagner!«
Elaine freute sich auf den Abend, während Tims Begeisterung sich in Grenzen hielt. Er begann, Begegnungen mit neuen Menschen eher zu fürchten als herbeizusehnen. Zu oft schien es ihnen schon peinlich zu sein, ihm vorgestellt zu werden. Sie suchten angestrengt nach Gesprächsthemen, die keine Tabus verletzten, und es war ihnen sichtlich unangenehm, in Tims Anwesenheit aufzustehen oder herumzulaufen. Wenn das so weiterging, würde er zum Einsiedler!
Tim setzte entschlossen ein Lächeln auf und nahm Elaine in den Arm. Sie war vergnügt und ausgelassen und begrüßte ihn gleich mit ausführlichen Erzählungen von dem neuen Laden in Westport. Die Lage war angeblich ideal, mitten im Ort. Und der Ort war mindestens so groß wie Greymouth, lebendig und attraktiv. Elaine konnte sich offensichtlich gut vorstellen, dort zu leben und den Laden zu führen. Tim war nahe daran, zu resignieren. So schlimm konnte es nicht sein, Haushaltswaren und Kleider zu verkaufen.
Die beiden durchquerten das Foyer des Hotels – und Tim musste mühsam an sich halten, höflich zu bleiben, als ein Portier um ihn herumwuselte, als würde er ihn für ein Trinkgeld auch gern in sein Zimmer tragen. Er durfte nicht so empfindlich sein, jeden Weg in der Öffentlichkeit als Spießrutenlauf zu empfinden. Dennoch war Tim froh, dass der Tisch für Ruben O’Keefe und seine Gäste nicht im feudalen Speisesaal des Hotels gedeckt war, sondern in einem nicht minder elegant gestalteten Nebenraum. Elaines Vater, ihr Bruder Stephen und der angekündigte Onkel George standen bereits mit Drinks am Fenster, das einen Blick auf den Kai und das an diesem Tag bewegte Meer bot.
Alle drei schauten nach draußen und wandten sich erst zu Tim und Elaine um, als diese näher kamen. Tim begrüßte Ruben und Steve und blickte dann überrascht in die forschenden braunen Augen des Mannes, den Matt an diesem Morgen vom Bahnhof geholt hatte. Lainie kam ihm bei der Begrüßung jedoch zuvor und ließ sich erst einmal von ihrem Nennonkel in den Arm nehmen. Der ältere Herr drückte sie ausgiebig, bevor sie sich lachend befreite.
»Da haben wir dich ja endlich wieder, Lainie!«, bemerkte er dann. »Kompliment, Kleine, ich hätte nie gedacht, dass sich auf dieser Insel jemand vor mir verstecken kann!«
Lainie lächelte verschämt und nahm ein Glas Champagner von ihrem Vater entgegen.
Tim nutzte die Pause, um »Onkel George« endlich die Hand zu reichen.
»George Greenwood«, stellte der hochgewachsene ältere Herr sich vor. Sein Händedruck war fest, sein Blick selbstsicher. Tims Krücken und Beinschienen schien er gar nicht zu bemerken.
»Habe ich Sie nicht heute Morgen schon am Bahnhof gesehen?«, erkundigte er sich, bevor Tim seinen Namen nennen konnte. »Sie waren mit diesem Mr. Gawain zusammen, der mir die Lambert-Mine gezeigt hat.«
»Und? Gefällt sie Ihnen?«, brach es aus Tim heraus. Gleich darauf wurde er sich seines Fauxpas bewusst. »Entschuldigen Sie, ich sollte mich erst mal vorstellen. Timothy Lambert.«
»Elaines Verlobter«, bemerkte Ruben und lächelte. »Der angeblich endgültig Richtige. Mr. Greenwood hat Nachrichten, die Scheidung betreffend, Tim. Gute Nachrichten!«
Elaine sah aus, als brenne sie darauf, die Neuigkeiten zu hören, während Tim nur an die Mine denken konnte. Wie hatte Matt sich präsentiert? Und sein Vater? Wie liefen die Verhandlungen, und gab es womöglich bereits Ergebnisse?
»Lambert?«, fragte Greenwood und musterte Tim mit forschendem Blick. »Irgendwie verwandt mit den Minen-Lamberts?«
Tim nickte. »Der Sohn«, sagte er resigniert.
Greenwood runzelte die Stirn. »Aber das kann nicht sein ...«
Tim funkelte ihn an. Plötzlich stieg seine ganze Wut und Frustration in ihm auf, und er konnte nicht an sich halten.
»Mr. Greenwood, ich habe meine Probleme, aber über meine Abstammung kann ich noch ziemlich sicher Auskunft geben!«
Greenwood wirkte nicht verärgert. Er lächelte.
»Das zweifelt niemand an, Mr. Lambert. Ich war nur ein wenig verwundert. Hier ...« Er griff nach ein paar Papieren, die er vorher wohl achtlos auf den Tisch geworfen hatte. »Die Informationen in der Projektbeschreibung. Aber lesen Sie selbst.«
Tim griff nach
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