Das Lied der Maori
sie als Künstlerin anerkannt war, gewandete sie sich mondän und verstand mit sicherem Geschmack, ihre Schönheit damit noch zu unterstreichen.
»Ich sitze herum und versuche, Florence Weber-Biller nicht allzu sehr zu beneiden.« Tim versuchte, es scherzhaft klingen zu lassen, doch seine Stimme klang bitter. »Ab morgen wird sie die Biller-Mine übernehmen, wahrscheinlich nicht auf einen Schlag, aber in spätestens einem Monat hat sie da ihr Büro. Während ich zusehen muss, wie fremde Investoren die Macht bei Lambert Enterprises übernehmen und mir irgendwelche fremden Ingenieure vor die Nase setzen, die mir nichts voraushaben, außer dass sie mich beim Wettlauf schlagen könnten ...«
»Hat dein Vater denn jetzt Käufer?«, erkundigte sich William. »Gehört habe ich noch nichts.«
Tim zuckte die Schultern. »Ich werde es wahrscheinlich als Letzter erfahren. Auf jeden Fall nach Florence Weber-Biller.«
Kura lächelte. »Du kommst aber auch ein bisschen spät damit raus!«, neckte sie ihn. »Wenn du dein Interesse an ihrer Stellung etwas eher angemeldet hättest – Caleb hätte dich der lieben Florence zweifellos vorgezogen!«
9
»Willst du in die Stadt? Dann kann ich dich auch mitnehmen.«
Matthew Gawain, der mittlerweile ein guter Freund geworden war, dem Tim das Du angeboten hatte, beobachtete, wie dieser sich im Stall auf seinen Fellow kämpfte, während ein Stallknecht der Lamberts ein elegantes Kutschpferd vor Nellie Lamberts private Chaise spannte. Es war ein kalter, nasser Frühlingsmorgen, und Matt fand, dass die überdachte Kutsche dem Ritt durch den Regen deutlich vorzuziehen war.
Doch Tim schüttelte grimmig den Kopf. »Ich reite nicht zum Spaß, sondern zum Muskelaufbau. Hast du gewusst, dass selbst beim schlichten Draufsitzen im Schritt sechsundfünfzig Muskeln trainiert werden?«
Matt zuckte die Achseln. »Und wie viele bewegt das Pferd?«, erkundigte er sich desinteressiert.
Tim ließ das unbeantwortet, blickte aber verwundert auf das noble Gefährt, in das Matt soeben einstieg.
»Wie kommst du zu der Ehre, die Privatkarosse meiner Mutter fahren zu dürfen? Ausfahrt mit Charlene? An einem ordinären Mittwoch?«
»Du glaubst nicht wirklich, dass deine Mutter mir die Chaise für Charlene leihen würde! Nein, Rendezvous mit einem Investor. Ich soll den Herrn vom Bahnhof abholen und hierher kutschieren, bevor Webers ihn in die Finger kriegen. Der alte Weber hat irgendwie den Kontakt vermittelt, aber die Verhandlungen will dein Vater allein führen. Bislang ist er sogar nüchtern.« Matt nahm die Zügel. Tim ritt neben der Kutsche her.
»Bezeichnend, dass er mir kein Wort davon gesagt hat. Ich bin es jetzt endgültig leid und würde lieber heute als morgen verschwinden. Nächste Woche geht sogar ein Schiff nach London. Aber wieder ohne uns.«
Tim ließ die Zügel locker und wurde schmerzhaft davon überrascht, dass Fellow gleichzeitig mit dem Kutschpferd antrabte. Matt sah sein verzerrtes Gesicht und holte den Braunen in den Schritt zurück.
»Auf die Dauer solltest du dir ein Pferd mit weicheren Gängen kaufen«, bemerkte er. »Du wirst in Europa sowieso ein neues brauchen.«
Tim zuckte die Achseln. »Das mach mal Lainie begreiflich. Die will unsere Pferde unbedingt mitnehmen. Da wäre sie wie ihre Grandma Gwyneira, sagt sie. Ein neues Land ja, aber nur mit ihrem Pferd und ihrem Hund. Keine Ahnung, wie ich das finanzieren soll!«
»Ich denke, ihre Familie hat Geld«, meinte Matt und ließ sein Pferd bummeln. Er war vorerst gut in der Zeit und saß im Trockenen. Tim dagegen sah aus, als fröre er, und Matt hatte ihn auch schon entspannter im Sattel sitzen sehen.
»Ob sie dieses Geld allerdings dafür ausgeben wollen, ihre endlich wiedergefundene Tochter nach Übersee zu schicken?« Tim hatte seine Zweifel. »Vorher will sie auf jeden Fall noch nach Queenstown und in die Canterbury Plains, um die ganze Familie erst einmal wiederzusehen, bevor sie sich dann verabschiedet ...«
»Ich glaube, deine Lainie will gar nicht weg aus Neuseeland«, sagte Matt. Eigentlich war er sich darüber sogar sicher, aber vielleicht musste man es Tim einfach schonend beibringen.
Tim seufzte. »Ich weiß«, murmelte er. »Aber was soll ich machen? Hier habe ich in meinem Beruf keine Aussichten. Und was anderes? Ruben O’Keefe hat mir ein Angebot gemacht, bei ihm einzusteigen. Sie eröffnen demnächst ein neues Geschäft in Westport. Da sind sie heute auch alle hin, um Räumlichkeiten anzumieten. Aber
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