Das Lied der Maori
erkundigte sich Francine Candler, die Hebamme in Haldon und eine von Gwyns ältesten Freundinnen.
»Den hätte ich dann doch von Ihnen brauen lassen müssen!«, neckte Gwyn sie. »Oder meinen Sie, die Maori-Zauberin hätte ein Mittelchen herausgerückt, damit die Farm einen englischen Erben bekommt?«
Tonga war selbstverständlich auch anwesend, wobei er es sich nicht hatte nehmen lassen, in Stammestracht einschließlich Häuptlingsinsignien zu erscheinen. Mit steinernem Gesicht beobachtete er die Zeremonie und beglückwünschte das Paar dann artig. Tonga sprach perfekt Englisch und hatte exzellente Umgangsformen – sofern er sich dazu herabließ, sie den
pakeha
gegenüber zu zeigen. Auch er gehörte zu Helen O’Keefes Meisterschülern.
Die anderen Maoris hielten sich mehr im Hintergrund, selbst Marama und ihr Gatte. Gwyneira hätte sie gern mehr einbezogen, aber die Leute hatten ein feines Gespür dafür, was von den Hauptpersonen der Veranstaltung gewünscht wurde. Wobei Kura alles gleichgültig zu sein schien, so wie fast immer. Doch Williams skeptische Haltung gegenüber den Stämmen hatte sich bereits herumgesprochen. Gwyn war deshalb froh, dass James sich nach dem Essen zu den Maori-Gästen gesellte und sich lebhaft mit ihnen unterhielt. Auch er fühlte sich in der illustren Gesellschaft der Schafbarone und Honoratioren von Christchurch nicht recht wohl. Schließlich hatte er ebenfalls nur »eingeheiratet« und besaß kein wirkliches Recht auf das Land, das er bearbeitete. Ein Teil dieser Leute hatte ihn damals sogar noch als Viehdieb verfolgt. Ihnen jetzt auf gesellschaftlichem Parkett zu begegnen empfanden beide Seiten als peinlich. Dazu sprach James fließend Maori.
»Ich hoffe sehr, dass sie glücklich wird«, flüsterte Marama mit ihrer singenden Stimme. Sie hatte keine Einwände gegen William gehabt, doch von seinem heutigen Verhalten fühlte sie sich brüskiert. »Und dass er sich nicht selbst im Weg steht wie damals Paul ...« Marama hatte Paul Warden von ganzem Herzen geliebt, doch ihr Einfluss auf ihn war stets begrenzt geblieben.
»Der Name ›Paul‹ fällt mir ein wenig zu häufig im Zusammenhang mit diesem Martyn«, bemerkte Tonga grimmig.
James konnte dazu nur nicken.
William schwebte durch seine Hochzeitsfeier. Er war überglücklich. Natürlich hatte es ein paar kleine Missstimmigkeiten gegeben, wie der ungeplante Auftritt der Maoris und der feste Händedruck des impertinenten jungen Mannes, der die Familie O’Keefe repräsentierte. »Besondere Grüße auch von meiner Schwester!«, hatte Stephen gesagt und William dabei feindselig in die Augen geblickt. Er war der erste junge Mann, der scheinbar in keiner Weise auf Kuras Schönheit reagierte. Obwohl sie ihm ein Lächeln schenkte, beglückwünschte Stephen sie genauso kühl wie William. Und dann sein Klavierspiel.
Amazing Grace
. Unpassender konnte es kaum kommen.
Dafür hatten die anderen Schafbarone den Neuling in ihrer Mitte umso herzlicher willkommen geheißen. William unterhielt sich flüssig mit Barrington und Richland, wurde George Greenwood vorgestellt und hoffte, dabei einen guten Eindruck zu machen. Auch sonst verlief das Fest zufriedenstellend. Das Essen war erlesen, die Weine erstklassig, und der Champagner floss in Strömen – was das anging, erwies sich auch Gwyneiras Hauspersonal als gut geschult. Ansonsten erschienen ihm die Maori-Köchinnen und -Dienstmädchen – sowie der seltsame Majordomus Maui, ein älterer Maori – oft etwas zu selbstständig. Aber darauf würde er einwirken können. Er musste bald mit Kura darüber reden.
Inzwischen waren Musiker aus Christchurch eingetroffen und spielten im Park zum Tanz. William und Kura eröffneten den Reigen mit einem Walzer. Das Mädchen schien allerdings längst genug von der Feier zu haben.
»Wann können wir uns denn zurückziehen?«, hauchte sie und schmiegte ihren Körper so provozierend an den seinen, dass die Zuschauer es beinahe sehen mussten. »Ich kann es nicht erwarten, mit dir allein zu sein ...«
William lächelte. »Haltung, Kura. Die paar Stunden hältst du schon noch aus. Wir müssen uns hier zeigen. Das ist wichtig. Schließlich repräsentieren wir Kiward Station ...«
Kura runzelte die Stirn. »Wieso müssen wir plötzlich diese Farm repräsentieren? Ich denke, wir gehen nach Europa.«
William schwenkte sie in eine elegante Wendung linksherum, um Zeit zum Nachdenken zu haben. Was sagte sie da bloß? Sie glaubte doch nicht wirklich, er
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