Das Lied der Maori
schien nach William zu fragen, und James stellte ihn vor.
Die alten Frauen tuschelten daraufhin miteinander, und William verstand ein paarmal das Wort Kura-maro-tini.
»Sie sollten jetzt höflich
kia ora
sagen und sich vor den Damen verbeugen«, bemerkte James. »Eigentlich reibt man noch die Nasen aneinander, aber ich sehe ein, das wäre zu viel verlangt ...«
Er wechselte wieder ein paar Worte mit den Frauen, die daraufhin kicherten.
»Was haben Sie gesagt?«, fragte William misstrauisch.
»Ich habe gesagt, Sie sind schüchtern.« James schien sich prächtig zu amüsieren. »Nun sagen Sie schon guten Tag!«
William war vor Wut rot angelaufen, wiederholte aber brav das Begrüßungswort. Die alten Frauen schienen sich ehrlich darüber zu freuen und verbesserten lachend seine Aussprache.
»Haere mai!«
, scholl es William auch von den Kindern entgegen. »Willkommen!«
Ein kleiner Junge schenkte ihnen ein winziges Jadestück. James bedankte sich überschwänglich und hielt William auch dazu an.
»Das ist ein
pounamu
. Es soll Ihnen Glück bringen. Ein sehr großzügiges Geschenk von dem Kleinen ... mit dem Sie sich übrigens besonders gut stellen sollten. Er ist Tongas Jüngster.«
Der Kleine hatte durchaus schon das Auftreten eines Häuptlings und nahm den Dank der
pakeha
geradezu hoheitsvoll entgegen. Schließlich verließen die Männer das Dorf. Das Land rund um das Lager war nicht von den Wardens erschlossen; hier gab es nur ein paar von den Maoris angelegte Felder und Gärten. Kurz darauf ritten sie an großen Paddocks vorbei, auf denen zum Teil Schafe standen. Die Tiere drängten sich in extra angelegten Unterständen zusammen, da wieder Regen eingesetzt hatte. In den Unterständen wurde auch Heu verfüttert.
»Für die meisten Schafe findet sich auch im Winter genug Weide«, erklärte James. »Aber die Muttertiere füttern wir zu. Dann werden die Lämmer kräftiger, und man kann sie eher ins Hochland treiben, was dann wieder Futter spart. Und hier stehen auch die Rinder ... da haben wir die Zucht aufgestockt, seit diese Kühltransporte nach England gehen. Vorher wurde das Fleisch nur nach Otago geliefert oder an die Westküste. Goldgräber und Bergarbeiter hatten immer einen gesegneten Appetit. Aber jetzt fahren regelmäßig Schiffe mit Kühlvorrichtungen nach England. Das ist ein gutes Geschäft. Und Kiward Station hat eine Menge Weideland. Da drüben ist der erste Scherschuppen.«
James wies auf ein großes flaches Gebäude, mit dem William noch vor wenigen Wochen nichts hätte anfangen können. Inzwischen wusste er von anderen Farmen, dass hier der trockene Arbeitsplatz der Schererkolonnen lag, die im Frühling von Station zu Station zogen, um die Schafe von ihrer Wolle zu befreien.
»Der erste?«, fragte William.
James nickte. »Insgesamt haben wir drei. Und wir brauchen die Scherer für drei Wochen. Sie wissen, was das heißt.«
William grinste. »Viele Schafe«, erklärte er.
»Mehr als zehntausend nach der letzten Zählung«, meinte James und fügte hinzu: »Zufrieden?«
William fuhr auf. »Mr. McKenzie, ich weiß, was Sie mir unterstellen. Aber mir geht es nicht um Ihre verdammten Schafe! Mir geht es ausschließlich um Kura. Ich heirate sie, nicht Ihre Rinderzucht!«
»Sie heiraten beides«, bemerkte James. »Und erzählen Sie mir nicht, dass es Ihnen gleichgültig wäre.«
William funkelte ihn an. »Und ob es mir gleichgültig ist! Ich liebe Kura. Ich werde sie glücklich machen. Alles andere spielt keine Rolle. Ich will nur Kura, und sie will mich!«
James nickte, auch wenn er nicht überzeugt wirkte. »Sie werden sie ja bekommen.«
DES MENSCHEN WILLE ...
Queenstown, Lake Pukaki, Canterbury Plains
1894–1895
1
William Martyn und Kura-maro-tini Warden heirateten kurz vor dem Weihnachtsfest des Jahres 1893. Die Hochzeit war das strahlendste Fest, das seit dem Tod des Gründers Gerald Warden auf Kiward Station gefeiert wurde. Zum Jahreswechsel herrschte Hochsommer auf Neuseeland, daher bot sich ein Gartenfest an. Gwyneira hatte zusätzlich Pavillons und Zelte aufstellen lassen, um gegen einen eventuellen Sommerregen gewappnet zu sein, doch das Wetter spielte mit. Die Sonne strahlte mit den Gästen um die Wette, die in großer Zahl gekommen waren, um das Brautpaar zu feiern. Halb Haldon war anwesend, allen voran natürlich die permanent schniefende Dorothy Candler.
»Sie hat schon bei meiner ersten Hochzeit geheult wie ein Schlosshund«, sagte Gwyneira zu
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