Das Lied der Maori
du das Kleid selbst ausziehen oder ...«
»Welches Kleid?« Kura riss ihren Ausschnitt einfach auf. Sie machte sich keine Mühen mit Haken und Mieder. Wozu auch? Sie würde das Hochzeitskleid ohnehin nie wieder tragen. William spürte seine Erregung wachsen. Ihre Wildheit sprengte alle Konventionen. Er warf alle Bedenken ab und zerrte seinerseits an dem zarten Stoff, befreite sich zwischendurch so schnell es ging von seiner Hose und warf sich, noch halb bekleidet, über sie. Er küsste ihren Hals und den Brustansatz und löste ihre Korsage, was nicht so schnell ging, denn das Fischbein setzte ihm Widerstand entgegen. Aber dann war sie endlich nackt und streckte sich ihm verlangend entgegen. William hatte eigentlich gelernt, dass man mit Jungfrauen zärtlich umgehen musste – die Töchter seiner Pächter hatten mitunter sogar geweint, während oder nachdem er mit ihnen geschlafen hatte. Kura jedoch kannte kein Schamgefühl. Sie wollte ihn in sich fühlen und wusste anscheinend genau, was sie erwartete. William fand das befremdlich. Eine Frau sollte nicht so begierig sein, fand er. Aber dann ergab er sich ganz ihrer Leidenschaft, küsste sie, rieb sich an ihr und drang schließlich fast triumphierend in sie ein. Kura schrie kurz auf – William wusste nicht, ob vor Schmerz oder Lust – und stöhnte dann laut, als er sich in ihr zu bewegen begann. Sie schlug ihre Fingernägel in seinen Rücken, als wollte sie ihn noch tiefer in sich hineinzwingen. Schließlich explodierte er in der Ekstase seines Lebens, während Kura ihre Zähne in seine Schulter schlug und vor Lust weinte, in der Auflösung ihrer gestillten Begierde. Doch schon begann sie, ihn wieder zu küssen und mehr zu fordern.
William hatte so etwas noch nie erlebt, ja er hätte nicht geglaubt, dass eine solche Sinnlichkeit möglich wäre. Und Kura versank in einem Strom von Melodien und Gefühlen, wie sie bisher noch keine Arie, kein Liebeslied in ihr hatte auslösen können. Bislang hatte die Musik ihr Leben beherrscht, und immer noch würden es Harmonien sein. Aber dies hier war stärker, und sie würde alles dafür tun, es immer wieder zu erleben. Kuras Panzer aus Gleichmut zersprang in dieser Nacht, und William gab ihr alles, wovon sie geträumt hatte.
James McKenzie beobachtete Gwyneira, die ausgelassen von einem Tänzer zum anderen flatterte. Unglaublich, dass dieses Energiebündel bald sechzig Jahre wurde. Aber heute sah Gwyn sich am Ziel ihrer Wünsche – ganz anders als damals, als James sie mit Lucas Warden hatte tanzen sehen. Förmlich und steif, die Siebzehnjährige nervös vor der Hochzeitsnacht, in der dann nicht einmal etwas passiert war. Gwyneira war noch Jungfrau gewesen, als sie James ein gutes Jahr später bat, ihr zu einem Kind zu verhelfen, einen Erben für Kiward Station. James hatte sein Bestes getan, aber nun hatte sich doch die Linie der Wardens durchgesetzt. Und wer wusste schon, wozu sie sich mit diesem William verbinden würde.
James hatte plötzlich Sehnsucht nach Monday, seiner Hündin, die er in den Ställen zurückgelassen hatte – genau wie Gwyn damals bei ihrer Hochzeit mit Lucas ihre Cleo. Er lachte in sich hinein, als er an die »Hundevorführung« dachte, die Gerald Warden damals am Nachmittag der Hochzeit geben wollte. Er hatte in Wales einen Wurf Border Collies gekauft, die geborenen Hütehunde, und wollte seinen Freunden und Nachbarn zeigen, wie sehr die Tiere die Arbeit auf einer Farm revolutionieren konnten. Der damals beste, voll ausgebildete Hund hatte Gwyneira gehört, doch die Braut konnte das Tier natürlich nicht selbst vorführen, das sollte James für sie tun. Er würde nie vergessen, wie Gwyn aufgeregt im Brautkleid dagestanden hatte, und ihre besorgte Miene, als sie erkannte, dass Cleo sich seinen Befehlen entzog, sodass sie eingreifen musste. Sie hatte die Hündin damals souverän durch die Aufgabe geführt, mit wehendem Brautschleier. Und sie hatte James jenes glückliche Lächeln geschenkt, das Lucas ihr nie hatte entlocken können. Sehr viel später hatte sie ihm die Hündin Friday, Cleos Tochter, mit ins Exil gegeben. Und Monday, James’ jetziger Hund, war wiederum deren Enkelin.
James stand auf und machte sich auf den Weg in die Ställe. Die Hochzeitsgesellschaft würde auch ohne ihn auskommen, und Champagner war sowieso nicht sein Fall. Lieber leerte er noch ein paar Gläser Whisky mit Andy McAran und den anderen Viehhütern.
Der Weg zurück zu den Ställen war wie ein Ausflug in die
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