Das Lied der Maori
würde sie jetzt ...
»Alles zu seiner Zeit, Kura«, meinte er beruhigend. »Jetzt sind wir erst einmal hier, und ich brenne genauso wie du.«
Das zumindest war die Wahrheit. Er durfte sich gar nicht ausmalen, dass er Kura heute Nacht noch besitzen würde, ohne peinliche Blicke auf sich zu ziehen. Allein die enge Berührung beim Tanz erregte ihn.
»Wir bleiben bis zum Feuerwerk, dann verschwinden wir. Das ist auch mit deiner Großmutter so abgesprochen. Keiner von uns will diese anzüglichen Sprüche bei der Verabschiedung des Brautpaars.«
»Du sprichst mit meiner Großmutter ab, wann wir zu Bett gehen?«, fragte Kura unwillig.
William seufzte. Er war verrückt nach Kura, aber heute verhielt sie sich kindisch.
»Wir müssen der Etikette gehorchen«, sagte er gelassen. »Und nun lass uns etwas trinken. Wenn du dich noch länger so an mir reibst, nehme ich dich gleich hier, mitten auf der Tanzfläche.«
Kura lachte. »Warum nicht? Die Maoris wären entzückt. Schlaf vor dem gesamten Stamm mit mir!« Sie drückte sich noch heftiger an ihn.
William wehrte sie energisch ab. »Benimm dich anständig«, raunte er ihr zu. »Ich will nicht, dass die Leute über uns reden.«
Kura schaute ihn verständnislos an. Sie
wollte
, dass die Leute redeten! Sie wollte ein Star sein, in aller Munde. Es gefiel ihr, wie die Gazetten aus Europa über berühmte Sängerinnen wie Mathilde Marchesi, Jenny Lind oder Adelina Patti schrieben. Irgendwann würde auch sie mit ihrem eigenen Luxuszug durch Europa reisen ...
Entschlossen warf sie William die Arme um den Hals und küsste ihn, obwohl sie mitten auf der Tanzfläche standen. Ein langer, inniger Kuss, den niemand übersehen konnte.
»Sie ist wunderschön, nicht wahr?«, wiederholte Jenny Greenwood ihre Bemerkung, diesmal gegenüber Stephen, der sie wie versprochen gleich zum ersten Tanz geholt hatte und nun zwischen Erheiterung und Unwillen schwankte, als Kura William so heftig küsste, als wollte sie die Hochzeitsnacht vorwegnehmen. Dem Bräutigam war dieser Auftritt sichtlich peinlich. Er schien im Boden versinken zu wollen und stieß seine junge Frau dann auch rüde von sich. Ein paar böse Worte fielen. Es war kein sehr harmonischer Beginn für eine Ehe.
»Und sie soll auch noch schön singen können. Meine Mutter pflegt zu sagen, bei manchen Leuten haben sich alle Feen um die Wiege versammelt.« Jenny wirkte fast ein bisschen neidisch.
Stephen lachte. »Das sagte man von Dornröschen auch, aber wie sich gezeigt hat, bekommt es einem nicht immer. Und so schön finde ich sie gar nicht. Mir zumindest gefällt ein anderes Mädchen auf diesem Fest viel besser.«
Jenny errötete und konnte ihn gar nicht ansehen. »Du schwindelst ...«, flüsterte sie. George Greenwood hatte Stephen seiner Frau und Tochter nach der Trauung als Rubens ältesten Sohn vorgestellt, woraufhin Jenny und Stephen sich schnell auf die vertrauliche Anrede einigten. Schließlich hatten sie schon als Kinder zusammen gespielt, doch der letzte Besuch der O’Keefes in Christchurch lag nun bald zehn Jahre zurück. Jennys kleine Schwester, Charlotte, die jetzt neugierig um die beiden herumwuselte, hatte damals noch in den Windeln gelegen.
Stephen legte die Hand auf sein Herz. »Jennifer, in wichtigen Angelegenheiten schwindele ich nie ... zumindest noch nicht. Wenn ich mal als Anwalt zugelassen werde, kann sich das ändern. Aber heute sage ich dir auf Ehre und Gewissen, dass ich hier sogar ein paar Mädchen sehe, die ich schöner finde als Kura-maro-tini. Frag mich jetzt nicht, warum, ich kann’s dir nicht sagen. Aber irgendetwas fehlt diesem Mädchen, etwas Wichtiges. Außerdem mag ich es nicht, wenn man anderen die Luft zum Atmen nimmt. Und du hast vorhin nach nur einem Blick von ihr völlig geschafft ausgesehen.«
Jennys Haarvorhang teilte sich ein bisschen, als sie zu ihm aufsah. »Wirst du noch mit all den anderen Mädchen tanzen, die du schöner findest als sie?«
Stephen lachte und strich ihr sanft eine der Locken aus der Stirn.
»Nein, nur mit dem Mädchen, das ich am allerschönsten finde.«
William erkannte, dass die zwei Gläser Champagner, die Kura getrunken hatte, sie völlig enthemmt hatten. Nicht einmal seine unfreundliche Reaktion auf ihren Kuss konnte sie dämpfen. Sie ließ die Hände nicht mehr von ihm. Deshalb atmete er auf, als endlich das Feuerwerk gezündet wurde und er sich mit ihr verabschieden konnte. Kura kicherte ausgelassen, als sie zum Haus liefen, und wollte über
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