Das Lied der Maori
hoffnungsvoll vorstellten. Die Töchter dieser Schafbarone und Banker waren oft hübsch. Aber ihre Art, ihn abschätzend, beinahe lüstern zu mustern, ihre freimütige Rede, ihre aufreizende Art, sich zu kleiden ... Thomas stieß das alles ab.
Umso erfrischender war diese kleine Rothaarige an der Rezeption, deren gesamte Lebensgeschichte Mr. Dipps ihm nun wohl schildern wollte. Der Banker erwies sich im Badehaus als redselig, und die kleine Elaine hatte den Dorfklatsch wohl schon ausgiebig beschäftigt. Was sie für Thomas natürlich aus dem Rennen warf. Schade, aber offenbar war das Mädchen nicht mehr unberührt.
»Der Kerl hat dem Mädel das Herz gebrochen«, erzählte Dipps mit ehrlicher Anteilnahme an Elaines Beziehung zu William Martyn. »Aber die Kleine, mit der er sie betrogen hat, war natürlich ein anderes Kaliber. Da kam so leicht keine mit. Eine Maori-Prinzessin.«
Letzteres interessierte Thomas wenig. Ein Maori-Mädchen als Herrin auf Lionel Station kam ohnehin nicht in Frage. Elaine dagegen hatte zunächst einen guten Eindruck gemacht. So süß und schüchtern in ihrem schlichten, hochgeschlossenen dunklen Reitkleid. Dabei durchaus wohlgeformt und mit langem, seidigem Haar ... seidenbespannte Zügel ... Thomas erlaubte sich sekundenlang einen Traum, in dem die zarte Rothaarige an Emeres Stelle trat.
Dennoch hätte er dem Mädchen nach Dipps’ Enthüllungen kaum noch einen zweiten Blick geschenkt – wenn nicht auch sein Vater Elaine erwähnt hätte.
»Hast du den Rotschopf an der Rezeption gesehen?«, erkundigte sich John Sideblossom, als die Männer sich später auf ihrem Zimmer trafen. Thomas hatte das Badehaus eben verlassen und zog sich um, und John traf gerade nach weiteren Verhandlungen mit Herman Stever ein. Sie waren gut verlaufen; der Mann würde eine ganze Herde bester Mutterschafe kaufen und sich dafür tief verschulden. Dennoch könnte es auch für ihn ein gutes Geschäft sein, wenn er die Zucht planmäßig vorantrieb und nicht am falschen Ende sparte. Eigentlich hätte Sideblossom ihm gern noch ein paar Widder verkauft, aber die meinte der halsstarrige Deutsche ja nicht zu brauchen. Eigene Schuld, wenn die Nachzucht dann nicht den Vorstellungen entsprach.
Thomas nickte desinteressiert, obwohl ein Bild aus seinem Traum noch einmal vor seinem inneren Auge aufblitzte. »Ja, ich hab die Kleine schon kennen gelernt. Sie heißt Elaine. Aber sie ist abgelegte Ware. Es heißt, sie hätte was mit einem Engländer gehabt.«
John lachte, doch es war sein Raubtierlachen, nicht das herzhafte Lachen unter Männern, mit dem er von seinen Eroberungen in den diversen Bordellen an der Westküste zu erzählen pflegte.
»Die und abgelegt? Nie und nimmer. Wer hat dir denn das erzählt? Sie mag ja verliebt gewesen sein, aber sie ist eine höhere Tochter, Tom. Die geht nicht mit jedem ins Bett.«
»Ich hörte schon, sie sei mit der Hotelbesitzerin verwandt«, meinte Thomas. »Und sie hat ja auch das rote Haar ... obwohl sie sich nicht so verhält, als wäre sie im Pub groß geworden.«
Sideblossom lachte noch dröhnender. »Du meinst, sie ist mit Daphne O’Rourke verwandt? Der Puffmutter? Ich glaub’s nicht! Wo ist dein Gespür für Klasse, Junge? Nein, nein, das rote Haar ist Warden’sches Erbe. Das hat sie von der legendären Miss Gwyn.«
»Gwyneira Warden?«, erkundigte sich Thomas und schloss die Weste seines Dreiteilers. »Von Kiward Station? Die jetzt mit diesem Viehdieb verheiratet ist?«
»Genau die. Und sie ist ihrer Mutter und Großmutter wie aus dem Gesicht geschnitten. Scheint nur die sanftere Version zu sein. Fleurette hatte Haare auf den Zähnen, und die alte Gwyn erst recht. Aber ein Klasseweib, beides Klasseweiber! Du solltest dir die Kleine noch mal anschauen. Zumal ich mit der Familie noch eine Rechnung offen habe ...«
Thomas wusste nicht recht, ob er helfen wollte, die Rechnungen seines Vaters zu begleichen. Aber was er da über Elaines Familie hörte, klang interessant – er hatte auch durchaus von seinem Vater und Fleurette Warden gehört; davon sprach noch Jahre später der gesamte Landkreis. Die einzige Frau, die sich John Sideblossom je widersetzt hatte, behauptete der Klatsch. Nach der groß angekündigten Verlobung bei Nacht und Nebel zu verschwinden und dann verheiratet in Queenstown wieder aufzutauchen – das musste Fleurette erst mal eine nachmachen. Dieses Mäuschen Elaine tat es garantiert nicht. Umso besser. Thomas Sideblossoms Interesse und sein
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