Das Lied der Maori
Sie war wirklich süß. Und sie musste auch unten herum rothaarig sein. Thomas hatte schon mal eine rothaarige Hure gehabt, aber deren Schamhaar war blond gewesen. Es hatte ihn geärgert. Er konnte es nicht ausstehen, wenn man ihn täuschte.
»Hier hätten wir noch etwas in Braun«, sagte Elaine.
Es passt zu seinen Augen, dachte sie, traute sich aber nicht, es auszusprechen. Auf jeden Fall würde es ihm besser stehen als der graue Anzug, den er heute trug. Schöne Augen hatte er; es lag etwas Geheimnisvolles darin, etwas Verborgenes ...
Eifrig legte sie ihm die Stoffbahnen vor.
»Welche würden Sie nehmen, Miss Elaine?«, fragte er freundlich. Er hatte eine dunkle Stimme, fast etwas heiser, nicht wie Williams heller Tenor.
»Oh, ich ...« Von der Frage überrascht, geriet sie wieder ins Stammeln. Schließlich zeigte sie auf den braunen Stoff.
»Gut. Dann nehme ich den. Der Schneider wird sich an Sie wenden, wenn er Maß genommen hat. Vielen Dank für die Beratung, Miss Elaine.«
Thomas Sideblossom ging zum Ausgang. Plötzlich hätte Elaine ihn gern aufgehalten.
Warum sagte sie nicht einfach irgendetwas? Vor der Sache mit William war es ihr doch auch nie schwergefallen, mit Menschen ins Gespräch zu kommen! Elaine öffnete den Mund, konnte sich aber nicht überwinden.
Plötzlich drehte Sideblossom sich um.
»Ich würde Sie gern wiedersehen, Miss Elaine. Ihre Großmutter hat mir verraten, dass Sie reiten. Würden Sie mich bei einem Ausritt begleiten?«
Elaine erzählte ihren Eltern nichts von der Verabredung mit Thomas Sideblossom. Nicht nur, weil sie wusste, wie ihre Mutter zu seinem Vater stand – sie befürchtete überdies eine erneute Ablehnung. Niemand durfte davon wissen, wenn sich doch noch einmal ein Mann für Elaine O’Keefe interessieren sollte! Deshalb lenkte sie Banshee schnell aus der Stadt, und Sideblossom verhielt sich dabei wie ein Gentleman. Für die Stadtbewohner konnte es ein Zufall sein, dass der Rappe und Elaines Schimmelstute nebeneinander die Ställe von Helens Pension verließen, und es war auch normal, dass ihre Reiter dabei ein paar Worte wechselten. Nur Daphne verfolgte Elaine und Thomas mit prüfenden Blicken. Ihr machte man nicht so leicht etwas vor. Sie sah das Interesse sowohl in seinen als auch in ihren Augen. Und beides gefiel ihr nicht.
Wie sich herausstellte, gehörte Thomas der schwarze Wallach, der Hengst seinem Vater. Und tatsächlich waren auch die Pferde Vater und Sohn. »Mein Vater hatte in Dunedin mal einen Araber gekauft«, sagte Thomas. »Ein fantastisches Pferd. Seitdem züchtet er. Er hat immer einen Rapphengst. Khazan ist schon der dritte. Mein Pferd hier heißt Khol.«
Elaine stellte ihre Banshee vor, doch sie überschüttete Thomas nicht – wie damals William – mit einem Wortschwall über die Welsh-Cob-Zucht ihrer Großmutter Gwyneira. Nach wie vor brachte sie in Thomas’ Beisein kaum ein Wort heraus. Doch ihn schien es nicht zu stören. Vielleicht hatte sie William ja mit ihrem Geplauder abgeschreckt? Elaine fiel siedend heiß ein, dass Kura praktisch jede Frage nur mit Ja oder Nein beantwortet hatte. Sie musste sich unbedingt noch mehr zurückhalten.
So ritt sie schweigsam neben Thomas her, der die Unterhaltung jedoch problemlos allein bestritt. Wobei er sich durchaus für seine Begleiterin interessierte und artige Fragen stellte. Elaine antwortete mit Ja oder Nein, sofern es sich machen ließ. Ansonsten gab sie knappe Bemerkungen ab und versteckte sich hinter ihrem Haar. Eigentlich ging es während des ganzen Rittes nur einmal mit ihr durch: Sie schlug ein Wettrennen vor, als sie auf einen langen, geraden Weg kamen. Doch gleich darauf tat es ihr schon leid. William hatte solche wilden Ritte nie gemocht, und wenn sie ihn dabei abgehängt hatte, war er regelrecht böse geworden. Doch Thomas verhielt sich anders. Er schien sogar angetan von der Idee, brachte sein Pferd ganz ernsthaft neben Elaine in Position und überließ ihr das Kommando zum Start. Natürlich schlug der Araber Khol ihre Banshee mühelos. Elaine kam erst drei Pferdelängen nach ihm lachend ins Ziel.
»Sie ist tragend«, entschuldigte sie ihr Pferd.
Thomas nickte wenig interessiert. »Dafür sind Stuten da. Aber Sie sind eine verwegene Reiterin.« Elaine wertete das als Kompliment. Als sie viel später heimritt, trug sie den Kopf zum ersten Mal seit Williams Verrat wieder aufrecht und ließ ihr Haar im Wind fliegen.
Ruben grummelte, und Fleurette besann sich weiterhin
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