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Das Lied der Maori

Das Lied der Maori

Titel: Das Lied der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Jagdinstinkt erwachten aufs Neue.
    Auf jeden Fall verkniff er sich an diesem Abend den eigentlich geplanten Besuch bei Daphne. Wie hätte es ausgesehen, wenn er sich heute mit einer Hure vergnügte und sich am nächsten Tag um eine Tochter aus gutem Hause bemühte? Seine Hoffnung, Elaine vielleicht am Tisch der Pensionsbetreiberin wiederzutreffen, erfüllte sich jedoch nicht. Das Mädchen war schon nach Hause geritten. Immerhin erfuhr er so, dass es sich nicht um eine Angestellte, sondern um Helens Enkelin handelte. Deshalb also das Missverständnis mit der Verwandtschaft zu Daphne.
    »Elaine ist ein reizendes Mädchen, aber man muss sie erst aus der Reserve locken«, verriet Helen. »Sie war vorhin ganz aufgelöst, weil sie sich an der Rezeption so schüchtern verhalten hat. Sie meint, Sie müssten sie jetzt für dumm halten.«
    Helen war nicht ganz wohl in ihrer Haut, als sie so offen mit den Sideblossoms über Lainie sprach. Fleurette hätte sie dafür wahrscheinlich gesteinigt. Andererseits schien dieser junge Mann wohlerzogen, freundlich und zuvorkommend. Er hatte sich sehr höflich nach Elaine erkundigt, und er sah mindestens so gut aus wie William Martyn. Und er war reich! Vielleicht würde der Knoten bei Elaine ja platzen, wenn sich ein anderer vorzeigbarer Mann ein bisschen um sie bemühte. Wobei daraus nichts werden musste. Aber ein paar freundliche Gespräche, ein bisschen Bewunderung in den dunklen Augen des Jungen – Thomas Sideblossoms Blick war nicht so scharf und stechend wie der seines Vaters, eher verträumt – vielleicht würde Elaine darüber wieder aufblühen! Das Mädchen war so hübsch. Es wurde Zeit, dass jemand ihr das sagte!
    »Ich finde es eigentlich sehr schön, wenn ein junges Mädchen ein wenig ... hm ... zurückhaltend ist«, sagte Thomas. »Miss Elaine hat mir durchaus gefallen. Wenn Sie ihr das bestellen möchten ...«
    Helen lächelte. Na also, bestimmt würde Elaine endlich mal wieder vor Freude statt aus mangelndem Selbstvertrauen erröten.
    »Und vielleicht treffe ich sie hier ja auch mal wieder, dann könnte ich ein bisschen ausführlicher mit ihr reden.« Thomas Sideblossom lächelte ebenfalls.
    Helen hatte das Gefühl, als wären die richtigen Weichen gestellt.
     

3
    Thomas traf Elaine im Laden ihres Vaters wieder, in dem er sich nach Stoffen für neue Anzüge umsah. Es gab exzellente Schneider in Queenstown, wie sein Vater bemerkt hatte. Und sie arbeiteten deutlich günstiger als ihre Kollegen in Dunedin. Wenn er es sich recht überlegte, gab es überhaupt kaum einen Grund, die lange Reise nach Dunedin wegen jeder Kleinigkeit anzutreten. Das Angebot in Queenstown gefiel ihm in jeder Hinsicht. Und die Anzugstoffe, die Ruben anbot, waren nicht nur qualitativ gut, sondern wurden zudem von zartester Hand empfohlen.
    Elaine ordnete gerade ein paar Ballen in ein Regal, als Thomas die Textilabteilung betrat. Sein Vater war derweil mit Ruben O’Keefe beschäftigt. Umso besser, Thomas sah sich das Mädchen lieber allein noch mal an.
    Elaine wurde flammend rot, als sie ihn kommen sah. Wieder mal, aber Thomas fand, es stände ihr. Er mochte auch die Scheu, fast Angst in ihren Augen. Wunderschönen Augen im Übrigen, schimmernd wie das Meer in der Sonne, mit einem Stich ins Grünliche. Dazu trug sie wieder das Reitkleid vom Tag zuvor. Eitelkeit konnte man ihr wirklich nicht vorwerfen.
    »Guten Morgen, Miss Elaine. Sie sehen, ich habe mir den Namen gemerkt.«
    »Ich ... ich hab ja auch keinen Zwilling ...« Die dumme Bemerkung rutschte Elaine heraus, bevor sie sich um etwas Klügeres bemühen konnte. Sideblossom jedoch schien sie erheiternd zu finden.
    »Zum Glück nicht. Ich denke, Sie sind einmalig!«, gab er galant zurück. »Wollen Sie mir ein paar Stoffe zeigen, Miss Elaine? Ich brauchte zwei Anzüge. Etwas Hochwertiges, aber nicht zu auffällig. Geeignet für Bankgeschäfte, förmliche Abendgesellschaften – die Viehzüchterversammlung in Dunedin, genauer gesagt.«
    Vor ein paar Monaten hätte Elaine jetzt wohl kokett gekontert, dass sich Viehzüchter doch eher in Lederjacken und Breeches hüllten. Aber jetzt fiel ihr keine Entgegnung ein. Stattdessen ließ sie ihr Haar schüchtern in ihr Gesicht fallen; sie trug es heute offen, und es war zum Verstecken nicht schlecht geeignet. Wenn sie den Kopf senkte, konnte ihr niemand ins Gesicht sehen, aber sie bekam auch nicht mehr allzu viel von ihrer Umgebung mit.
    Thomas beobachtete amüsiert, wie sie sich durchs Sortiment tastete.

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