Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)
daran nicht interessiert bin!«, empörte sich Jessica. Wäre er nicht ein so guter alter Freund gewesen, hätte sie ihn zum Teufel geschickt.
»Weiß ich doch«, erwiderte Nikko ungerührt und riet ihr dann: »Und du willst auch nicht jedem Knaben von deinem Geld erzählen, stimmt's?«
Die siebenundzwanzigjährige Jessica seufzte und nickte widerstrebend. Gelegentlich war ihre Erbschaft mehr der sprichwörtliche Stachel in ihrem Fleisch als ein Segen. Bei seinem Tod hatte James Ahearne, einer der erfolgreichsten Bauunternehmer von Perth, seinen beiden Kindern, ihr und ihrer Schwester Alison, ein kleines Vermögen zu gleichen Teilen hinterlassen. Immerhin war es so viel, dass es durch die geschickte Anlage durch den Finanzberater der Familie dazu ausreichte, dass sie eigentlich nicht mehr für ihren Unterhalt hätte arbeiten müssen. Doch sie hatte Jura studiert und arbeitete, weil sie beweisen wollte, dass sie es konnte, auch wenn sie es nicht musste.
Jessicas Interesse an dem jungen Arzt wurde nicht geringer. Sie heftete den Blick auf seinen Kopf und bemerkte, wie sein feines Haar wippte, als er sich entschlossen zur Bar durchkämpfte.
»In der Medizin soll er sehr gut sein, wie ich gehört habe. Der geborene Chirurg. Einige, die es wissen sollten, meinen, dass er eine große Karriere vor sich hat«, meinte Nikko im Weitergehen.
Der rothaarige Mann, der entschieden zu viel getrunken hatte, zupfte sie am Jackenärmel. »Willst du einen Joint, Jess? Ziemlich guter Stoff. Der beste.«
Jessica schüttelte den Kopf und schob seine Hand von ihrem Arm. Wie sollte sie ihn loswerden? Sie drehte sich halb um und prallte fast gegen Simons Brust.
»Ich bin Simon«, stellte er sich vor. »Kommen Sie, da drüben ist ein Balkon, auf dem wir unseren Drink in Ruhe genießen können.«
»Jessica Ahearne«, erwiderte sie und nahm das Weinglas. Obwohl sie insgeheim froh war, den Trottel losgeworden zu sein, hob Jessica bei der Einladung die Augenbrauen und tat, als ob sie zitterte. »Da draußen ist es unter null Grad. Ich werde mir den Tod holen.«
Simon lächelte zuversichtlich. Da sie nach wie vor ihren Mantel anhatte, bezweifelte er, dass sie wirklich frieren würde. »Machen Sie sich keine Sorgen, ich bin Arzt. Wenn Sie krank werden, mache ich Sie wieder gesund.«
Jessica lachte, und ihr kam der Gedanke, dass Doktorspiele mit Simon Spaß machen müssten. Wow! Das war ein ziemlich abwegiger Gedanke, doch sie war ehrlich genug, zuzugeben, dass er der erste Mann war, den sie anziehend fand, seit sie sich von Greg La Salle getrennt hatte.
Sie nahmen ihre Drinks auf dem Balkon und redeten über ihre Heimat Australien und ihre Herkunft. Sie über ihre kürzlich beendete Beziehung zu Greg La Salle, einem Börsenmakler aus Adelaide, er über seine medizinische Laufbahn. Als sie um Mitternacht Big Ben schlagen hörten und staunend zusahen, wie dicke Schneeflocken fielen – er sah zum ersten Mal im Leben Schnee – dämmerte in Simon eine erstaunliche Wahrheit auf. Er hatte sich im lächerlich kurzen Zeitraum von weniger als einer Stunde heftig und unwiderruflich in Jessica Ahearne, Rechtsanwältin, verliebt, die nach England gekommen war, um ihr angeblich gebrochenes Herz zu kurieren und einen Monat Ferien zu machen, bevor sie ihre neue Stelle in einer angesehenen Kanzlei in Perth antrat.
Bei ihrer dritten Verabredung schliefen sie in Jessicas Fünf-Sterne-Hotel miteinander, danach flog sie für eine Woche nach Edinburgh zu entfernten Verwandten. Es war die einsamste Woche in Simons Leben gewesen. Als er sie in Heathrow wieder traf, wäre er am liebsten sofort aufs Knie gesunken und hätte sie gebeten, ihn zu heiraten. Doch er schaffte es, sich zusammenzureißen und seine Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Stattdessen bat er sie, in London zu bleiben und zu ihm zu ziehen. Sie stimmte zu. Zwei Wochen lang irrten sie auf der Suche nach einer geeigneten Wohnung kreuz und quer durch London. Schließlich fanden sie eine Einzimmerwohnung in Islington zu einer völlig überhöhten Miete, und Jessica rief die Kanzlei in Perth an, um ihnen mitzuteilen, dass sie die angebotene Stelle nicht antreten konnte. Dann bekam sie einen Job bei einer Kanzlei im Süden von London.
Sechs Monate später hatten sie geheiratet, und als Simons Auslandsaufenthalt endete, kehrten sie nach Perth zurück, wo er sich innerhalb von sechs Jahren mit seiner eigenen Praxis zu einem der führenden Chirurgen Australiens entwickelte.
Simon riss sich von
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