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Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)

Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynne Wilding
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»Aber ziehen Sie nicht Ihre besten Sachen an, wahrscheinlich werde ich Sie Ton kneten lassen oder so, und Sie werden genauso dreckig wie ich.«
    Jessica lächelte. Sie mochte die Frau auf Anhieb und schätzte ihre Freundlichkeit. Wenn alle Menschen auf Norfolk so waren wie Nan Duncan, dann sollte sie wirklich ausgehen und sie kennen lernen, anstatt nur in ihrer Hütte zu hocken. »Es macht mir nichts aus, schmutzig zu werden. Ich versuche gerade, den Garten an unserem Haus wiederzubeleben. Simon ist nicht gerade ein Gärtner. Er kann eine Pflanze nicht von Unkraut unterscheiden, auch wenn er vom Lande kommt. Mir macht es Spaß, im Dreck zu wühlen, solange es danach besser aussieht.«
    »Gut.« Nan betrachtete ein Regal mit unglasierten Kaffeebechern. »Das hier, meine Töpferei, hat mir dazu finanzielle Unabhängigkeit geboten«, gestand sie. »Nach Phils Tod war das Geld knapp. Alle meine Kinder – ich habe vier – wollten, dass ich bei ihnen lebe, aber ich wollte lieber hier bleiben«, meinte sie mit einem Blick durch das Atelier. »Ich wollte bei den vertrauten Dingen bleiben, und bei meinen Erinnerungen.«
    »Phil war Ihr Mann?«, fragte Jessica, erkannte jedoch gleich darauf, wie überflüssig die Frage war.
    »Er ist jetzt seit fast fünf Jahren tot«, nickte Nan.
    »Das tut mir leid«, stammelte Jessica, da ihr nichts Besseres einfiel.
    »Schon gut.« Nan zuckte mit den schmalen Schultern. »Die Zeit ist ein großer Heiler. Sie lässt uns das Unerträgliche ertragen. Meine Brut wird Weihnachten hier sein, mit allen ihren Kindern.« Sie lächelte. »Das ist das einzige Mal im Jahr, dass ich meine Enkel sehe, denn Lissy und Amy wohnen in Wellington. Margot ist in Brisbane, und Liam – er ist noch nicht verheiratet – arbeitet in Cairns.«
    Jessica dachte an das kleine Haus und fragte sich, wie sie alle mit Ehemännern und Kindern dort Platz finden würden.
    Als ob sie ihre Gedanken erraten hätte, erklärte Nan: »Es ist schon etwas eng, wenn plötzlich fast fünfzehn Leute im Haus herumschwirren. Hinter dem Atelier haben wir einen alten Falt-Caravan, den wir abstauben. Außerdem stellen wir ein großes Zelt mit Feldbetten auf. Wir kriegen das schon hin, obwohl der Andrang in Bad und Küche immens ist. Sie bleiben etwa fünf Tage, und ich brauche dann eine Woche, um alles wieder in Ordnung zu bringen«, fügte sie mit müdem Lächeln hinzu. »Marcus ist mir eine große Hilfe. Er kümmert sich um die Kinder, auch wenn seine eigenen beiden diese Weihnachten nicht hier sein werden. Er hat sich vor kurzem von seiner Frau getrennt, müssen Sie wissen«, erklärte sie die Abwesenheit seiner Kinder.
    Jessica malte sich aus, wie Nans lauter Haushalt am Weihnachtsabend wohl aussehen würde, und verglich ihn unwillkürlich mit ihrem eigenen. Nur sie und Simon. Plötzlich konnte sie den Gedanken nicht mehr verdrängen. Kein Damian. Unser erstes Weihnachten ohne ihn. Was hatte Nan gesagt? Dass das Unerträgliche erträglich wird? Tränen blinkten in ihren Augen auf, und sie wandte sich ab, um ihren Kummer zu verbergen.
    Aufmerksam wie immer bemerkte Nan den Blick und den Schmerz darin. »Geht es Ihnen gut, meine Liebe?« Sie runzelte die Stirn und versuchte, sich daran zu erinnern, was sie gesagt hatte. »Habe ich etwas gesagt, das Sie verletzt hat?«
    Es kostete sie eine gewaltige Willensanstrengung, doch es gelang Jessica, die Trauer dorthin zu verbannen, wo sie sie kontrollieren konnte. Sie spürte die mitfühlende Seele der älteren Frau, straffte die Schultern und wandte sich zu ihr um. »Ich habe vor ein paar Monaten meinen kleinen Sohn verloren. Er war erst vierzehn Monate alt. Entschuldigung, aber manchmal … überwältigt mich die Erinnerung.« Sie atmete tief ein und aus. »Ich … ich habe Sie um Ihr Familienfest an Weihnachten beneidet. Simon und ich haben keine große Familie, nur meine Schwester und ihre Familie, und die leben in Perth.«
    »Oh, meine Liebe, das tut mir leid.« Die Wärme in Nans Stimme verriet, dass sie es genauso meinte. Dann schnalzte sie verächtlich mit der Zunge. »Es tut mir leid. Das klingt so erbärmlich. Ich kann mir nicht vorstellen, was Sie bei so einem Verlust durchgemacht haben. Niemand kann das.«
    »Ich war krank, deshalb hat mich Simon hierher gebracht«, erklärte Jessica. Nikko hatte gesagt, dass es heilsam sein konnte, mit jemandem darüber zu sprechen, was geschehen war, und ihren Verlust einzugestehen. Er hatte allerdings nicht gesagt, wann es ihr helfen würde,

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