Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)
konzentriert, das hier richtig hinzubekommen.«
»Das sieht gut aus.«
»Das sagst du immer von meinen Arbeiten«, gab sie spöttisch zurück. Sie wussten beide, dass Simon kein großer Kunstkenner war. Die Feinheiten der Malerei interessierten ihn nicht, dennoch fand er jedes ihrer Werke schön und machte ihr Komplimente dafür.
»Das stimmt schon, aber …« Er suchte nach dem richtigen Satz, einem, den er im Laufe der Jahre auf einer Reihe von Vernissagen gelernt hatte. »Die Komposition ist gut, es ist ausgeglichen und hat schöne Farben und Leuchtkraft.« Er umarmte sie. »Was gibt es zum Abendessen?«
Jessicas Pinsel hielt mitten in der Bewegung inne. Das Essen! Sie hatte es völlig vergessen … und dabei hatte es doch etwas ganz Besonderes werden sollen!
Er lachte leise. »Mach dir keine Sorgen. Ich habe gedacht, wir könnten essen gehen. Ich habe einen Tisch bestellt in dem Restaurant, in dem wir letzte Woche waren, Annabelle's. Um halb acht. Ich habe Glück gehabt, an Weihnachten überhaupt einen Tisch zu bekommen.«
»Danke, Simon. Entschuldigung. Ich habe völlig die Zeit vergessen.«
»Ich freue mich, dass du wieder malst, Jess. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung.«
Sie sah erst ihn an und dann wieder die kleinen Pinselstriche von dem, was ihre erste Landschaft seit mehreren Jahren werden würde. In ihre Arbeit vertieft, hatte sie nicht bemerkt, wie die Stunden verflogen, und zum ersten Mal hatte sie es geschafft, den Gedanken an Damian tief in ihr Unterbewusstsein zu verdrängen. Einen Moment lang bekam sie deswegen ein schlechtes Gewissen. Es war erst viereinhalb Monate her. Sollte sie nicht jede Minute mit jedem Atemzug und jeder Bewegung um ihn trauern?
Ja – und dann wiederum nein. Ob es ihr gefiel oder nicht, ob sie ein Teil davon sein oder sich davon trennen wollte, das Leben musste weitergehen. Sie hatte sich damit abgefunden, dass Damian von ihr gegangen war. Nichts, was sie tun konnte, konnte das ändern. Oh, sie konnte sich ewig grämen und ihn vermissen, was sie natürlich tat, sie vermisste ihn schrecklich. Oder sie konnte die Erinnerung an ihn an einem Platz in ihrem Kopf und in ihrem Herzen bewahren und weiterleben.
Wieder sah sie die Staffelei an, die Linien und die weichen Farben. Ein zittriges Lächeln hob ihre Mundwinkel. Es schien, als ob sie die Entscheidung unwillkürlich getroffen hatte, daher würde sie dieses Bild Damian widmen.
Nachdem Jessica diese Erkenntnis gekommen war, normalisierte sich das Leben der Familie Pearce. Sie amüsierten sich am Weihnachtstag großartig mit Nan Duncan und ihrer Familie, es wurde nur ein wenig traurig, als sie nach Hause kamen und das Telefon klingelte. Es war Alison, die ihnen mit ihrer Familie aus Perth frohe Weihnachten wünschte.
»Bist du sicher, dass es dir gut geht?«, fragte Alison besorgt. »Ich habe mir Sorgen gemacht, weil du so weit weg bist.«
»Es geht mir nicht immer gut, aber die meiste Zeit werde ich gut damit fertig«, entgegnete Jessica. »Ich habe wieder angefangen zu malen, und ich werde losziehen und mir die Insel ansehen, um weitere Motive zu finden. Marcus …«
»Wer ist Marcus?«
»Ein Bekannter von Simon. Ein Psychologe, der den Beruf gewechselt hat und jetzt Geschichte an der Universität von Neuseeland unterrichtet. Er hat mir von ein paar großartigen Plätzen erzählt, die ich mir ansehen sollte.«
»Mit ihm?«, wollte Alison neugierig wissen.
Jessica lachte leise. »Nein, allein, oder mit Simon. Marcus ist viel zu beschäftigt, er hat Arbeit, irgendein historisches Projekt auf dem Friedhof.«
»Friedhof.« Alison schnalzte ins Telefon. »Von diesem Ort solltest du dich definitiv fernhalten.«
Jessica seufzte auf. Sie sah Simon an, der dem Gespräch mit halbem Ohr lauschte, und hob die Augenbrauen. »Ja, Alison, natürlich werde ich das.«
»Oh, übrigens, dein Partner Max hat mich davon überzeugt, dass wir, die Familie Marcelle in toto, Ostern Urlaub auf Norfolk machen sollten. Was hältst du davon?«
Jessicas Stirn legte sich in Falten. Die Hütte war klein, sie konnte sich nicht vorstellen, dort vier Leute unterzubringen. »Eine wundervolle Idee«, sagte sie und versuchte, begeistert zu klingen.
»Wir würden uns natürlich eine Ferienwohnung in der Nähe suchen. Dann hättest du deine Ruhe, wenn wir da sind«, informierte sie Alison in ihrer raschen Art. »Ach, außerdem: Kann man da wirklich so gut einkaufen, wie Max behauptet?«
»Ausgezeichnet. Bis dahin kann ich als euer
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