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Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)

Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynne Wilding
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Bücher sind über Norfolk geschrieben worden. Gemessen an der Größe der Insel und dem kurzen Zeitrahmen der menschlichen Geschichte hier ist sie wahrscheinlich besser dokumentiert als die meisten anderen Inseln des Pazifiks. Ich konzentriere mich auf das, was noch nicht bearbeitet wurde. Der Friedhof ist erst der Anfang. Ich möchte eigentlich alle größeren Grundstücke auf der Insel und deren Besitzer historisch untersuchen.«
    »Also eher eine Geschichte für und über die Bewohner von Norfolk Island als die Beschränkung auf die Sträflingssiedlung und so?«
    Er nickte, beeindruckt von ihrer Fähigkeit, seine Absichten in ein paar klare Worte zu fassen. »Das ist eine gute Beschreibung. Zur Zeit mache ich Abriebe von Grabsteinen. Zuerst mache ich ein Foto und übertrage dann die Grabsteine mit ihren Inschriften auf Gewebe. Wenn das dokumentiert ist, befasse ich mich mit der Geschichte der Person und lege für jeden, der dort begraben ist, eine Biografie an.«
    »Das hört sich aber nach einer Menge Arbeit an«, fand sie und setzte einen letzten Pinselstrich an den Rand des Blattes. Fast hätte sie »düstere Arbeit« gesagt, entschied sich aber rasch dagegen. Wenn Marcus in seiner Freizeit auf einem Friedhof arbeiten wollte, anstatt sich zu entspannen, dann war das seine eigene Angelegenheit.
    »Das ist es garantiert. Wie Malen. Wie viele Stunden dauert es, bis ein Gemälde wie dieses fertig ist?« Seine Frage brachte sie zum Lachen, ein kehliger, amüsierter Laut, der seinen Puls beschleunigte.
    »Regelmäßig länger als ich angenommen habe. Ich glaube jedes Mal, es müsste eigentlich ganz schnell fertig sein. Aber wenn man es zum Leben erwecken will, muss man sich auf die Details konzentrieren. Das kennen Sie sicherlich ebenso, nehme ich an.« Sie trat zurück, um einen besseren Überblick über die Komposition zu bekommen, betrachtete zuerst das Gemälde und dann den Himmel draußen. Schließlich drehte sie sich zufrieden zu ihm um und stellte fest, dass er sie ansah.
    Ertappt leerte Marcus seine Tasse und stellte sie auf den Beistelltisch. »Ihnen bei der Arbeit zuzusehen hat mir ein schlechtes Gewissen gemacht, dass ich selbst nichts tue. Ich sollte mich lieber mal auf den Weg machen.« Er blickte ihr geradewegs in die Augen, in deren Blau er hinreißende goldene Punkte entdeckte. »Und wann immer Sie nach Kingston kommen möchten, um Tourist zu spielen, werde ich vormittags da sein. Ich werde Ihnen eine persönliche Führung bieten.«
    Jessica mochte Nan und Marcus, aber sie dachte, dass er nur höflich sein wollte. Lächelnd stimmte sie zu, als sie ihn zur Vordertür brachte. Friedhöfe standen auf ihrer Prioritätenliste nicht sonderlich weit oben, und sie wusste, dass weder Simon noch Alison damit einverstanden wären, wenn sie sich an einem solchen Ort aufhielt. Für sie war es wichtig, im Gleichgewicht zu bleiben und nicht zuzulassen, dass die Melancholie die Oberhand gewann. Malen half ihr, die Depression in Schach zu halten.
    Sie sah zu, wie er den Kickstarter des Motorrades betätigte und in Richtung Kingston davonknatterte, wo die erste Sträflingskolonie gegründet worden war. Ihr Kopf neigte sich gedankenverloren zur Seite, und sie schaute ihm nach, bis er aus ihrem Blickfeld verschwunden war.
     
    Jessica vollendete innerhalb einer Woche zwei Gemälde, was Simon und sie sehr freute.
    Da ihr von ihrem »Wintergarten-Atelier« aus langsam die Ansichten ausgingen, begann sie die Insel zu erkunden, auf der Suche nach weiteren Motiven, die sie verewigen konnte. Sie nahm ihre Kamera mit, und wenn sie zu einer Stelle kam, die ihr günstig erschien, und das Licht richtig war, machte sie Aufnahmen aus mehreren Blickwinkeln, ließ die Fotos entwickeln und dann vergrößern. Wenn sie diese Fotos dann auf ein großes Stück Pappe aufzog, bildeten sie die Vorlage für ihr neuestes Gemälde, bei dem es sich in diesem Fall um eine Ansicht der Anson Bay handelte.
    Am Dienstagmorgen zogen drohende Sturmwolken vom Meer her auf. Bald peitschte der Regen um das Cottage und schlug einen Stakkatorhythmus gegen die Fenster des Wintergartens und das verrostete Eisendach. Stundenlang schüttete es.
    Ungewohnt ruhelos streifte Jessica durch das kleine Haus. Sie war ungeduldig, weil sie arbeiten wollte, um ihr neuestes Motiv zu vollenden, aber selbst wenn alle Lichter im Wintergarten brannten, war es nicht hell genug. Und wenn sie bei ungenügendem Licht malte, würde sie ihr Werk womöglich ruinieren. Dieses

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