Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)
Terrasse vor der Hintertür einnahmen. Dann fuhr sie nach Burnt Pine, um einige ihrer Keramiken in zwei Läden abzuliefern.
Jessica ging zur Terrasse zurück und setzte sich mit dem Skizzenblock im Schoß hin, den Bleistift einen halben Zentimeter über dem Papier. Eine merkwürdige Nervosität überkam sie. Sollte sie wirklich …? Unvermittelt nahm ihr Gesicht einen entschlossenen Ausdruck an. Ja. Sie schloss die Augen und versuchte sich das Bild vorzustellen, das sie gestern gesehen hatte. Es war nicht sehr schwer, denn es hatte sich ihr mit erstaunlicher Klarheit eingeprägt. Sie begann zu zeichnen.
Eine Stunde später hatte sie ein klares Bild eines Frauengesichts zu Papier gebracht. Sah so Maddie Lynch aus?, fragte sie sich, während sie die Skizze betrachtete. Vielleicht hatte ja jemand ein Bild von der alten Frau, die in der Höhle gelebt hatte. Nan glaubte jedoch, es sei nur eine Geschichte, dass Maddie Lynch nie wirklich existiert hatte. Wenn das stimmte, wessen Gesicht hatte sie da gesehen?
Sie riss das Blatt vom Block, rollte es zusammen und schob ein Gummiband darum. Eine seltsame Lethargie überkam ihren Körper und ihren Geist. Es lag wahrscheinlich am Panadol Forte, vermutete sie, herzhaft und müde gähnend. Sie hatte sich eine Stunde lang konzentrieren müssen, um die Gesichtszüge der Frau zu zeichnen, so, wie sie in ihrer Erinnerung existierte, und ihre verletzte Hand begann zu pulsieren. Vielleicht war sie doch nicht so stark, wie sie glaubte. Sie ging nach drinnen, und nachdem sie die Skizze neben die beiden fertigen Gemälde gestellt hatte, betrat sie das Schlafzimmer.
Als sie zum Bett kam, war ihr schwindelig. Womöglich waren die Tabletten zu stark. Sie würde sie nicht mehr nehmen, bevor sie nicht mit Simon darüber gesprochen hatte. Sie zog die Bettdecke weg, legte sich hin und fiel sofort in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Simon Pearce ging zu dem Auto, das ihm das Krankenhaus zur Verfügung stellte, wobei er die Schönheit des Sonnenuntergangs am wolkenlosen Himmel über der Westseite der Insel bewunderte. Es war ein schlimmer Tag gewesen. Murphys Gesetz hatte in dem 28-Betten-Hospital zugeschlagen, und es war alles schiefgegangen, was nur schiefgehen konnte. Zwei Mitarbeiter hatten auf der Stelle gekündigt. Mr. Smiths Naht war aufgegangen, und die Wunde hatte sich infiziert, was eine langwierige Säuberungsaktion und neue Stiche notwendig gemacht hatte. Dann hatte es einen Unfall auf der Taylor Road gegeben, und zwei Touristen wurden zur Behandlung und Beobachtung aufgenommen. Gott sei gedankt für Sues Effizienz. Durch irgendeinen Kunstgriff hatte sie es geschafft, die verschiedenen Dramen so alltäglich aussehen zu lassen, dass er seine Arbeit leichter bewältigen konnte. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, war am Abend auch noch die Tagung des Krankenhausvorstands gewesen. Er hatte über seinen ersten Monat am Hospital berichtet, und man ließ ihn wissen, dass man sehr zufrieden mit ihm war. Doch wie fast alle Meetings hatte sich auch dieses hingezogen, und er war gerade erst fertig geworden.
Jessica, der man vor zwei Tagen die Fäden gezogen hatte, würde nicht sehr erfreut sein, dass er erst so spät kam. Doch einige Situationen am Krankenhaus entzogen sich seiner Kontrolle, und er wusste, dass sie das als Arztfrau verstand, selbst wenn sie sich gelegentlich darüber beklagte.
Er öffnete die Wagentür und warf seine Tasche auf den Beifahrersitz, dann folgte die Jacke, die lose darüber lag. Als er sich auf dem Fahrersitz niederließ, lockerte er seine Krawatte und öffnete den obersten Hemdknopf. Er atmete tief ein und aus, um den Stress des Arbeitstages abzulegen. Bevor er den Wagen anließ, streckte er sich ein paarmal, um seine Glieder zu lockern. Als er an das warme Essen dachte, mit dem Jessica ihn erwarten würde, wenn er nach Hause kam, legte ein Lächeln seine ebenmäßigen Züge in Falten. Er war so hungrig, dass er alles essen – und genießen – würde, was sie ihm vorsetzte.
Als er den Wagen im Carport neben dem Cassell Cottage parkte, war es bereits dunkel. Einen Moment lang blieb er sitzen und sah auf das Haus, eine steile Falte auf der Stirn. Merkwürdig, es brannte nirgendwo Licht. Vielleicht war Jessica früh schlafen gegangen. Er wusste, dass sie zu Hause sein musste, denn ihr Auto stand vor seinem.
Simon schloss die Haustür hinter sich und hielt inne, um den Geräuschen zu lauschen. Stille und das gelegentliche Knacken von Holz, das sich nach
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