Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)
Soldat sterben sehen. Nicht so. Nicht so plötzlich. Mit brennen den Augen und tränenlos begann sie, in ihrem Stuhl hin und her zu schaukeln, seine Hand immer noch in der ihren. Sie hasste die Kälte, die langsam in seine Finger kroch, als seine Körperwärme entwich.
Noch vor fünf Tagen war er stark und gesund gewesen, hatte sie geliebt, weil sie sich ein zweites Kind wünschten, und jetzt, jetzt …
Ihr Gehirn versuchte, den Gedanken zu begreifen, dass der Mann, den sie mit ganzem Herzen und aus tiefster Seele geliebt hatte, tot war, doch ihr Gehirn schaffte es nicht.
Endlich allein. Die wenigen Trauergäste, die gekommen waren, überließen Sarah und Meggie sich selbst. Meggie, ein kräftiges Kind von achtzehn Monaten, verstand nicht, was an diesem Tag auf dem Friedhof am Rande der Stadt passiert war. Aber sie erkannte, dass ihre Mutter traurig war, und versuchte auf ihre Kinderart, sie zu trösten, indem sie ihr auf den Schoß kletterte und ihr mit einer pummeligen kleinen Hand die tränenfeuchte Wange streichelte.
So saßen sie, bis die Dunkelheit Sarah zwang, eine Lampe anzuzünden, Feuer zu machen und Meggie etwas zu essen zu bereiten. Die Taubheit, die auf Wills Tod gefolgt war, ließ langsam nach, und sie konnte allmählich wieder nachdenken. Will war tot, aber sie lebte noch, sie hatte das Fieber nicht bekommen, und sie hatte die Verantwortung für Meggie.
Was sollten sie tun? Sie dachte an die Münzen in ihrer Sparbüchse, die sie unter einem losen Bodenbrett unter dem Bett aufbewahrte. Es waren nicht annähernd genug, dass sie sich mit einem Geschäft in Sydney Town selbstständig machen konnte. Und nicht annähernd genug, um sich auch nur die bescheidenste Hütte zu kaufen, damit sie keine Miete zahlen musste. Sie dachte an ihr kleines Stickereiunternehmen und die Möglichkeiten, die es bot. Die Arbeit machte ihr Freude, doch sie war zeitraubend und würde nicht genug einbringen, um sie zu ernähren und ihnen ein Dach über dem Kopf zu bieten.
Sie würde eine Stellung finden müssen, eine, bei der Meggie in ihrer Nähe bleiben konnte. Das hätte Will ganz sicher ebenso gewollt. In den nächsten Stunden ging Sarah ihre Optionen durch. Ihr Geld würde sie eine Weile über Wasser halten, doch sobald eine angemessene Trauerzeit vergangen war, würde sie sich Arbeit suchen.
Sarah seufzte, als Meggie, die ungewöhnlich quengelig geworden war, endlich einschlief. Sie betrachtete das schlafende Kind, und ihre Lippen verzogen sich zu einem schwachen Lächeln. Wenn sie doch nur das Gleiche tun könnte, schlafen! Doch immer, wenn sie ihren Kopf aufs Kissen senkte, kamen ihr Gedanken an Will, und die Tränen liefen ihr erneut über die Wangen. Sie schloss die Schlafzimmertür und ging zurück in den Salon. Ein Bild, nur eine Kohlezeichnung, die sie von Will mit der schlafenden Meggie gemacht hatte, fiel ihr ins Auge. Sie nahm sie vom Kaminsims. Die einfachen Linien, hastig hingeworfen, gaben ein gutes Porträt ihres Ehemannes und ihres Kindes wieder. Sie erinnerte sich an den Abend, an dem sie es gezeichnet hatte; es war gerade hell genug gewesen, um die Züge von Will einzufangen, der mit der Tonpfeife in der Hand und der schlafenden Meggie an seiner Brust im Sessel saß. Eine Träne rann ihr über die Wange. Diese Skizze war das einzige Bild, das ihr nun noch von ihm blieb, abgesehen von ihren Erinnerungen.
Verloren in ihren Erinnerungen und den Gedanken an die Zukunft, hätte sie das Klopfen an der Tür beinahe nicht gehört.
Sie fragte sich, wer sie so spät noch besuchen kam, setzte sich auf und wartete, bis es ein zweites Mal klopfte. Erst dann stand sie auf und ging an die Tür.
Ihr Herz sank, als sie in der Tür Elijah Waugh stehen sah.
»Ich empfange keine Besucher«, sagte sie eisig. Er war bei Wills Beerdigung gewesen und hatte mit den anderen Trauergästen irgendwelche Plattheiten von sich gegeben, aber soweit es sie betraf, hatte sie keine Veranlassung mehr, ihn zu ertragen oder mit ihm zu reden, jetzt, da ihr Mann tot war.
»Ich wollte nur nachsehen, ob es Ihnen und der kleinen Meggie gut geht«, entschuldigte er sich. Gott, sie war eine gut aussehende Frau, selbst so blass und in Trauer, sodass die hohen Wangenknochen scharf in dem farblosen Gesicht hervortraten. Er betrachtete ihr rotes Haar, das ihr in dichten, glänzenden Locken um die Schultern fiel. Er sehnte sich danach, mit den Fingern hindurchzufahren und seine Wärme und Weichheit an seinen Fingerspitzen zu fühlen. Sein
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