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Das Lied der schwarzen Berge

Das Lied der schwarzen Berge

Titel: Das Lied der schwarzen Berge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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keiner unter dem Himmel kennt … mit einer Selbstverständlichkeit, daß Gott tot sein muß, weil er zu allem schweigt!«
    Die Lautsprecher tönten immer noch … einmal nah … dann wieder weiter … sie sprachen die halbe Nacht hindurch, und Jossip saß lauschend an der Tür und lächelte.
    »Sie wollen mich überlisten«, sagte er störrisch. »Sie wollen mich hervorlocken!«
    Elena war am Ende ihrer Kräfte. Die nahen Stimmen ihrer Befreiung und die Unmöglichkeit, sie in diesen Schlupfwinkel zu führen, brachten sie an den Rand ihrer Fassung. Jossip bemerkte es, und er legte sich die Peitsche und das lange Messer zurecht.
    »Rühr dich nicht«, sagte er stöhnend vor Schmerzen. In seinen Beinen begann das Blut zu klopfen, die Knie waren dick angeschwollen und stachen wie mit tausend Nadeln. »Auch wenn du schreist, töte ich dich!«
    So ging die Nacht herum mit hoffendem Wachen und einer immer größer werdenden und das Herz fast abschnürenden Enttäuschung. Die Lautsprecher entfernten sich immer mehr … die Stimmen, die durch die nächtlichen Berge dröhnten, wurden schwächer und waren später nur noch ein Echo von weit entfernten Tälern. Sie gingen unter in der Einsamkeit.
    Jossip saß an der Tür und lachte. Er war zufrieden. Triumphierend sah er die weinende Elena an.
    »Jossip ist nicht so dumm, wie es deine Freunde annehmen! Er ist nicht in die Falle gelaufen!«
    »Sie haben es ehrlich gemeint!« Elena sank auf das Strohlager zurück und deckte sich mit den Fellen zu. »Wenn sie dich jetzt bekommen, kennen sie keine Gnade mehr!«
    »Ich werde sie alle vernichten, bevor sie mich sehen!« sagte er störrisch. »Nur ich weiß, wie man die Natur aus ihren Fesseln befreit!«
    Elena drehte sich zu der rohen Holzwand. Zu oft hatte sie diese irren Reden gehört, um weiter darauf zu achten. Daß man sie suchte, beruhigte sie. Einmal würden sie auch diese verborgene Hütte entdecken … vielleicht konnte sie in ein paar Tagen selbst das Haus verlassen, über den ohnmächtigen Jossip steigend, den seine eiternden Wunden zersetzten.
    Sie schielte zu ihm hinüber. Er lag an der Tür, gekrümmt, mit den Händen den Verband aus Blätter- und Wurzelbrei gegen die Knie drückend. Die große Wunde an der Schulter war gerötet und brandig … sie hatte es am Vormittag gesehen, als er sie auswusch. Nur ein paar Tage noch, dachte sie, und er wird zusammenbrechen. Auch seine Kraft ist einmal zu Ende, jeder Mensch, auch Jossip, hat eine Grenze, an der jede Duldung aufhört und der Zusammenbruch erfolgt.
    Gegen Morgen verließ Jossip die Hütte. Er schloß sie wieder ab und wälzte mit verzerrtem Gesicht und lautem Stöhnen die Steine vor die Tür. Durch die Ritzen an den Fensterläden sah Elena, wie er ins Tal hinabschwankte, sich an den Felsen vorwärtstastend, als sei er schon blind vor Schmerzen.
    Aus dem Tal stieg der Frühnebel und ließ die Sonne in einem milchigen Brei schwimmen. Ein Adler kehrte aus dem Wald zurück, er schwebte lautlos durch die Nebelschwaden zu seinem Horst.
    An einem Bach sank Jossip nieder und hielt die Knie in das kalte, fließende Wasser. Er wimmerte vor Schmerzen und starrte in die Sonne, als könne sie ihm helfen.
    Stanis Osik saß in der großen Konstruktionsbaracke und trank eine Tasse starken Tee. Hauptmann Vrana lehnte am Fenster und rauchte unruhig. Meerholdt ging im Zimmer auf und ab.
    »Ein Fiasko«, sagte er erregt. »Ein völliges Fiasko! Unsere Lautsprecheraktion ist verpufft!«
    »Ich habe es gleich gesagt! Mit solchen Dingen kann man Jossip nicht beikommen! Versprechungen und dergleichen ziehen nur bei zivilisierten Menschen – sie glauben das! Jossip ist ein Stück Wild – und Wild wittert immer die Gefahr!« Hauptmann Vrana lachte. »Das ist der Segen der Zivilisation – sie macht den Menschen zu gutgläubigen Trotteln und erstickt ihren Instinkt. Eine Zeitung schreibt was, ein Radio bellt etwas heraus, ein Staatsmann, ein Politiker, ein Redner, ein Philosoph sagt irgend etwas – und der gebildete Mensch glaubt es! Er zieht dem Wort nach wie einem Magnet … der Fuchs aber zieht der Füchsin nur nach, wenn sie heiß ist – ich finde das natürlicher! Und Jossip ist ein Fuchs, für ihn sind Worte nur Schall. Er weiß, was ihn erwartet!«
    »Ich habe ihm Straffreiheit zugesichert.«
    Vrana hob beide Hände. »Zugesichert! Was ist eine Zusicherung? Er wird nicht von Staatswegen bestraft – aber wer kann verhindern, daß zweihundert Arbeiter Jossip aus Ihrem Zimmer

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