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Das Lied der schwarzen Berge

Das Lied der schwarzen Berge

Titel: Das Lied der schwarzen Berge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hat ein Strahlungsfeld, das ihn umgibt.« Meerholdt lachte gequält. »Um es banal zu sagen: Bisher habe ich gesendet … meinen Willen ausgesendet … jetzt empfange ich plötzlich, und es ist eine starke Strahlung, von der ich nur nicht weiß, woher sie kommt!«
    Der Arzt sah Meerholdt eine Weile schweigend an. Dann gab er ihm die Hand. »Nehmen Sie es mir nicht übel, Herr Meerholdt, aber als Mediziner muß ich Ihnen sagen, daß dies Auswirkungen eines überbelasteten und nicht zur Ruhe gekommenen Nervensystems sind. Spannen Sie aus, erholen Sie sich … ich garantiere, daß Ihnen dann diese ›Gefahrstrahlen‹, um einmal im spiritistischen Jargon zu sprechen, nicht mehr zu nahe kommen.«
    Nachdenklich sah Meerholdt auf die Tür, die sich hinter dem Arzt schloß. Ausspannen … am Meer liegen und den weißen, pulverfeinen Sand durch die Finger rinnen lassen … das Rauschen des Meeres um sich und das Fächeln der niedrigen Palmen im warmen Wind, der herüber kommt von der Küste Afrikas … der Wind der weiten Sahara …
    Meerholdt schüttelte den Kopf. Unmöglich, das Werk zu verlassen! Noch ein Jahr – vielleicht noch ein halbes dazu … dann stand der Damm, dann donnerten die Turbinen, dann surrte der Strom von Zabari über das Land der schwarzen Berge. Vielleicht war dann etwas Zeit, sich auszuruhen und das Leben für ein paar Wochen zu genießen … ein paar Wochen nur, bis zur nächsten Einsamkeit, zum nächsten Bau. Dann würde Rosa seine Frau sein, er würde ein gemütliches Heim haben, und er würde wissen, wozu er sich in die Arbeit stürzte und für wen er das Geld auf der Bank von Belgrad deponierte.
    Rosa … ein Haus … Kinder … ein Garten, in dem sie spielen konnten, ein Planschbecken … Er würde Rosen pflanzen und sich ein Gewächshaus anlegen … viel Rasen sollte um das Haus sein … viel Wiese, auf der man tollen konnte mit den Kindern …
    Meerholdt lächelte verträumt. Wie weit das noch alles lag, wie phantastisch …
    Er öffnete die Tür von Rosas Zimmer und ging hinein.
    Die Einzelaktion Stanis Osiks in der Nacht war nur ein halber Erfolg. Immerhin – sie war ein Erfolg!
    Osik hatte mit Jossip gesprochen!
    Als Meerholdt das Mikrophon, die Kabel, den Verstärker und den Lautsprecher am Waldrand aufgebaut hatte und Osik verließ, wartete Stanis noch eine halbe Stunde, ehe er zu sprechen begann. Er hatte eine geladene Pistole neben sich liegen und beobachtete seine Umgebung mit einem starken Nachtglas.
    Nichts rührte sich. Die vollkommene Stille umgab ihn. Nur der Mond zauberte Schatten und Lichtbündel zwischen die Bäume und verstärkte den Eindruck, daß die Berge Montenegros wirklich schwarz sind.
    Stanis Osik zitterte ein wenig. Die Aufregung war stärker, als er sich eingestand. Er atmete hastig, ehe er das Mikrophon einschaltete und sich räusperte.
    »Jossip!« sagte er. Seine Stimme hallte durch den Lautsprecher weit in die Berge hinein. Stanis Osik lauschte ihr und dem Echo, das zweifach zurückgeworfen wurde. »Jossip Petaki … hier spricht Stanis Osik! Der Vater Elenas. Ich bin allein, ganz allein am Rande des Waldes! Ich gebe dir mein Wort, daß ich allein bin und daß keiner im Umkreis von 500 Metern bei mir ist. Ich möchte dich sprechen, Jossip – ohne Hinterlist, ohne, daß dir etwas geschieht!«
    Jossip lag wieder am Bach und kühlte seine Kniewunden, als er die Stimme Osiks hörte. Er zuckte auf, ergriff seine Axt und kroch dem Felswege zu, der den Wald von dem Berg trennte. Dort lag er zwischen den Steinen und lauschte. Er sah Osik am Waldrand sitzen, allein, vor sich den Lautsprecher, das Mikrophon in der Hand.
    Jossip wartete.
    In der Hütte erreichte die Stimme Osiks Elena, die am Herd stand und kochte. Sie zuckte zusammen, als sie die Worte hörte, und ließ den Topf fallen, den sie in der Hand hielt.
    »Vater …«, stammelte sie. »Vater …« Dann schrie sie auf, stürzte auf die Tür zu, rüttelte an ihr und schrie, schrie … »Vater! Hilf mir! Vater!! Hilfe Hilfe!!« Sie schlug mit beiden Fäusten gegen den Balken, sie trat dagegen, sie rannte in sinnloser Verzweiflung mit der Schulter gegen die dicken Bohlen, bis der ganze Körper schmerzte und sie wimmernd an der Tür auf die Knie fiel. »Mein Gott!« stammelte sie. »Hilf mir doch! Mein Vater ist hier … mein Vater!«
    Jossip lag auf der Erde und lauschte. Stanis Osik sprach weiter.
    »Ich habe dir gestern 100.000 Dinare geboten, wenn du Elena freigibst. Du sollst sie auch heute noch haben. Du

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