Das Lied der Sirenen
klopfte mit dem Kugelschreiber gegen ihre Zähne und fragte sich, warum die
Sentinel Times
keinen Spezialartikel über dieses Projekt gebracht und Dr.Hill vorgestellt hatte. Vielleicht hatte man es vorgehabt, war aber aus irgendeinem Grund zurückgepfiffen worden. Sie würde das mit den Kollegen von der Dokumentarabteilung überprüfen.
Die nächsten beiden Artikel stammten aus einem landesweit vertriebenen Sensationsblatt; es handelte sich um zwei Folgen zum Thema »Serienmorde«, die in zeitlichem Zusammenhang mit dem Anlaufen des Films
Das Schweigen der Lämmer
standen. In beiden Artikeln standen recht allgemein gehaltene Aussagen von Dr.Hill über die Arbeit von Psychologen als Ersteller von Verbrecherprofilen.
Die letzten beiden Artikel handelten von einem seiner prominentesten Patienten, von Keith Pond, dem sogenannten »irren Autobahnkiller«. Pond hatte insgesamt fünf Frauen von Autobahnraststätten entführt und sie auf grausame Weise vergewaltigt und ermordet. Zum Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung gegen ihn hatte die Polizei erst zwei seiner Opfer gefunden. Nach einer intensiven Therapie durch Dr.Hill sagte er jedoch, wo er die anderen drei Leichen versteckt hatte. Mitglieder einer der trauernden Familien bezeichneten Dr.Hill als »Psychologen, der Wunder bewirken kann«. In einem der Artikel war der Versuch unternommen worden, ein Profil von Dr.Hill zu zeichnen, aber es war, wohl mangels ausreichender Informationen, vom Inhalt her sehr dürftig ausgefallen. Wie üblich hatte es den Verfasser jedoch nicht davon abgehalten, seine Story damit anzureichern.
Dr.Tony Hill, bisher unverheiratet geblieben, ist ein Mann, der völlig in seiner Arbeit aufgeht. Ein früherer Kollege sagte über ihn: »Tony ist ein Workaholic. Er ist mit seiner Arbeit verheiratet.
Und er ist besessen von dem Bestreben, bis ins Detail zu verstehen, was in den Gehirnen seiner Patienten vor sich geht. Es gibt wahrscheinlich keinen anderen Psychologen in unserem Land, der wie er befähigt ist, in den verwirrten Geist eines Menschen einzudringen und herauszuarbeiten, was ihn dazu bringt, das zu tun, was er tut.
Ich dachte manchmal, er kann besser mit Massenmördern umgehen als mit ›normalen‹ Geisteskranken.«
Dr.Hill lebt allein und ist wegen seiner Kontaktscheu bei Kollegen nicht besonders beliebt. Neben dem Studium der Gehirne von Serienmördern scheint sein einziges Hobby das Wandern zu sein. An freien Wochenenden fährt er regelmäßig in den Lake District oder in die Yorkshire Dales und streift durch die Hügel.
»Da kann man ja nur lachen«, sagte Penny laut und machte sich weitere Notizen. Sie ging ins Hauptmenü zurück und wählte Option 5 . Wieder gab sie den Namen ein, um die Suche nach einem Bild zu starten. Die Datenbank reagierte mit der Eröffnung, daß nur ein Foto verfügbar sei. Penny holte es auf den Bildschirm.
»Volltreffer!« rief sie triumphierend. Sie hatte diesen Mann erst einmal gesehen, aber jetzt wußte sie, wer Carol Jordans neuer Begleiter war.
Penny lehnte sich zurück, genoß die dritte Zigarette und stellte fest, daß die Nachrichtenzentrale sich langsam mit Menschen füllte. Noch ein kurzer Telefonanruf, dann konnte sie sich in der Kantine ein Frühstück genehmigen. Sie nahm den Hörer ab und wählte Kevin Matthews’ private Nummer. Beim zweiten Läuten hob er ab. »Detective Inspector Matthews«, meldete er sich mit verschlafener Stimme.
»Hi, Kevin, hier ist Penny«, sagte sie und genoß die verblüffte Stille, die auf ihre Ankündigung folgte. »Entschuldige, daß ich dich zu Hause anrufe, aber ich dachte, du würdest meine Fragen lieber von dort als vom Büro aus beantworten.«
»W … was?« stammelte er. Dann, gedämpft: »Ja, es ist dienstlich. Schlaf weiter.«
»Seit wann ist Dr.Tony Hill in eurem Team?«
»Woher weißt du das? Verdammte Scheiße, das sollte doch geheim bleiben!« Seine Nervosität schlug in Zorn um, und er schrie die letzten Worte laut heraus.
»Deine Frau wird nicht wieder einschlafen können, wenn du so rumbrüllst. Ist doch egal, woher ich das weiß. Du kannst zumindest mit gutem Gewissen sagen, daß es nicht von dir kam. Seit wann, Kev?«
Er räusperte sich. »Erst ein paar Tage.«
»War es Brandons Idee?«
»Ja. Hör mal, ich darf wirklich nicht darüber reden. Es sollte nicht an die Öffentlichkeit dringen.«
»Er erstellt ein Profil des Mörders, oder?«
»Was denn sonst!«
»Und er arbeitet mit Carol Jordan zusammen, nicht wahr?«
»Sie ist die
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