Das Lied der Sirenen
gewaschen hat, darauf hofft, daß ich an ihm kein Exempel statuiere. Er hofft vergebens.« Er lächelte Carol frostig an. »Oder sie, um niemanden auszulassen.«
Tony schloß die Tür seines Büros hinter sich, winkte der Sekretärin fröhlich zu und lächelte sie an. »Ich gehe zu einem kurzen Mittagessen, Claire, wahrscheinlich ins Café Genet in Temple Fields. Inspector Jordan kommt um drei, aber bis dahin bin ich längst zurück. Okay?«
»Sind Sie denn sicher, daß Sie keinen der Anrufe der Journalisten beantworten wollen?« rief Claire hinter ihm her.
Tony, schon in der Tür, fuhr herum und fragte: »Was für Journalisten?«
»Vor allem und als erste diese Penny Burgess von der
Sentinel Times.
Sie hat es alle halbe Stunde versucht, seitdem ich hier bin. Außerdem kamen Anrufe von allen großen Zeitungen und von Radio Bradfield.«
Tony runzelte verwirrt die Stirn. »Warum? Haben die Leute gesagt, was sie von mir wollen?«
Claire hielt ein Exemplar der
Sentinel Times
hoch. Sie war vorhin schnell aus dem Büro geschlüpft und hatte es sich am Kiosk der Universität gekauft. »Ich bin keine Psychologin, Tony, aber ich glaube, das hat was mit Ihnen zu tun.«
Tony erstarrte. Selbst quer durch den Raum konnte er die Schlagzeile lesen und sein Foto auf der Titelseite erkennen. Wie ein Stück Eisen, das von einem Magneten angezogen wird, näherte er sich der Zeitung, bis er Penny Burgess’ Namen über beiden Artikeln lesen konnte. »Darf ich?« fragte er heiser und griff danach.
Claire überließ sie ihm und beobachtete seine Reaktion. Sie mochte ihren Chef, aber sie war auch nur ein Mensch und genoß es irgendwie, daß er sich so ärgerte, in der Zeitung zu stehen. Tony blätterte hastig die Seiten um, nach dem Artikel über sich suchend. Als er ihn gefunden hatte, las er ihn mit wachsendem Entsetzen.
Dr.Hill ist bestens qualifiziert, um in den verwirrten Geist des Schwulenkillers einzudringen. Er hat nicht nur zwei Universitätsabschlüsse samt Promotionen und große Erfahrung im direkten Umgang mit kriminellen Perversen, die unsere Gesellschaft terrorisiert haben, er hat auch den Ruf, seine Arbeit mit verbissener Entschlossenheit zu tun.
Ein Kollege sagte über ihn: »Er ist mit seiner Arbeit verheiratet, lebt nur dafür. Wenn irgend jemand den Schwulenkiller überführen kann, dann ist es Tony Hill.
Es ist jetzt nur noch eine Frage der Zeit, davon bin ich überzeugt. Tony ist unerbittlich. Er wird nicht aufgeben, bis dieser Bastard hinter Gittern sitzt.
Eines ist klar, Tony verfügt über ein erstklassiges Gehirn. Diese Serienmörder mögen ja hohe IQ s haben, aber um dem Arm des Gesetzes zu entgehen, sind sie nicht clever genug.«
»O mein Gott!« stöhnte Tony. Abgesehen davon, daß kein Kollege, der etwas auf sich hielt, solche Aussagen machen würde, bedeutete der Artikel, Handy Andy den Fehdehandschuh hinzuwerfen. Er mußte sich für ihn wie eine Herausforderung lesen. Und Tony war sicher, daß Handy Andy eine Antwort darauf finden würde. Er knallte die Zeitung auf Claires Schreibtisch.
»Es ist ein bißchen übertrieben, nicht wahr?« sagte sie mitfühlend.
»Ja, übertrieben, aber vor allem verdammt unverantwortlich«, wütete Tony. »Ach was, ich scheiß’ drauf und werd’ jetzt was essen. Wenn der Chief Constable anruft, sagen Sie ihm, ich sei schon nach Hause gegangen und nicht mehr erreichbar.« Er trat wieder zur Tür.
»Und was ist, wenn Inspector Jordan anruft?«
»Ihr können Sie sagen, ich sei aus dem Land geflohen.« In der Tür blieb er stehen. »Nein, das war nur ein Scherz. Richten Sie ihr aus, ich sei zu unserem Treffen wieder zurück.«
Während er auf den Aufzug wartete, ging es Tony durch den Kopf, daß er bei aller Erfahrung nicht auf die direkte Herausforderung eines Mörders vorbereitet war. Und bei dieser würde er sich ganz gewaltig ins Zeug legen müssen.
Kevin Matthews trank sein Glas Bier leer und machte dem Mädchen hinter der Bar ein Zeichen damit. »Selbst wenn es ein Ablenkungsmanöver ist, er muß auf jeden Fall Zugang zu diesem gottverdammten komischen Lederfetzen gehabt haben, oder?« fragte er Carol und Merrick. »Noch mal dasselbe?«
Merrick nickte. »Ich möchte diesmal einen Kaffee, Kevin«, sagte Carol. »Und ein halbes Hähnchen bitte. Ich habe so ein Gefühl, daß mir eine lange Sitzung mit dem Doc bevorsteht, und er hat die häßliche Angewohnheit, jegliches Essen zu vergessen.«
Kevin machte die Bestellung und wandte sich dann wieder
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