Das Lied der Sirenen
Bücherläden und Bibliotheken nachzuprüfen, ob es Kunden gibt, die sich Bücher zum Thema Folter beschafft oder ausgeliehen haben.
Carol blätterte zurück zu den Passagen, die sie im Hauptteil beim ersten Durchlesen besonders interessant gefunden hatte. Es war kaum zu glauben, wie schnell Tony die ihm überlassenen Aktenstapel ausgewertet hatte. Und nicht nur das, er hatte ein großartiges Gespür dafür bewiesen, die Schlüsselpunkte herauszufiltern, und das führte erstmals dazu, daß sich in Carols Vorstellung ein wenn auch noch vages Bild des Mörders abzeichnete, den sie jagte.
Aber das Profil warf auch Fragen auf. Mindestens eine dieser Fragen schien Tony entgangen zu sein. Oder ignorierte er sie, weil er sie als unbedeutend betrachtet hatte? Doch warum auch immer, sie jedenfalls wollte es wissen. Und sie mußte einen Weg finden, die Frage so zu stellen, daß sie nicht wie ein Angriff auf ihn wirkte.
[home]
Auf 3 ½-Zoll-Diskette, Beschriftung: Backup. 007 ,
Datei Love 013 .doc
Ich ließ Gareth nur ungern an seinem Kreuz hängen, aber ich mußte ihn zu einem kleinen Botengang verlassen. In seinem Wagen hatte ich einige Weihnachtskarten seiner Firma an wichtige Klienten, bereits von allen Partnern der Kanzlei unterschrieben, vorgefunden, was mir erlaubte, auf die schon vorbereitete eigene Karte zu verzichten. Auf eine dieser Karten hatte ich mit dem Füller, einem Schablonensatz und Gareth’ Blut in Großbuchstaben geschrieben:
» FROHE WEIHNACHTEN ALLEN IHREN LESERN; IHR EXCLUSIVES WEIHNACHTSGESCHENK WARTET AUF SIE IM GEBÜSCH VON CARLTON PARK HINTER DEM MUSIKPODIUM. BESTE WÜNSCHE FÜR GESEGNETE WEIHNACHTSTAGE VON IHREM WEIHNACHTSKILLER .«
Es war nicht einfach, mit dem Blut zu schreiben; es trocknete an der Federspitze dauernd ein, und ich mußte sie nach immer nur wenigen Buchstaben säubern. Glücklicherweise gab es jedoch keinen Mangel an dieser Spezialtinte.
Ich adressierte einen braunen Umschlag an den Herausgeber der
Bradfield Evening Sentinel Times,
steckte die Karte hinein, dazu ein Video, das ich vor einigen Wochen gemacht hatte, als ich mich mit der Planung für Gareth’ Behandlung beschäftigte. Ich hatte mich damals bereits entschlossen, meinen Modus operandi abzuändern. Temple Fields war inzwischen zu riskant geworden; selbst wenn die Tunten zu betrunken oder bekifft waren, ihre Umgebung wachsam zu beobachten, die Polizei würde nicht nur die auf einen schnellen Fick bedachten Schwulen im Auge behalten. Aber der Trampelpfad durch das Gebüsch von Carlton Park ist ebenso bekannt als Schwulenstrich wie Temple Fields.
Ich war an einem regnerischen Sonntag morgen, als kaum jemand unterwegs war, mit meinem Camcorder zum Carlton Park gefahren und fing mit dem Filmen beim Musikpodium, das von einem schmiedeeisernen Gitter umgeben ist, an. Ich ging um es herum, nahm es aus jedem Winkel auf. Die Sonderkommission der Kriminalpolizei würde nicht lange brauchen, die Örtlichkeit zu identifizieren. Carlton Park ist schließlich der größte Park innerhalb der Stadtgrenzen, und von April bis September finden hier jeden Sonntag Blasmusik-Konzerte statt. Ich hielt den Camcorder absichtlich in Brusthöhe, nicht auf der Schulter; ich habe gelesen, daß man aus dem Winkel, in dem Aufnahmen gemacht worden sind, Schlüsse auf die Körpergröße des Fotografen ziehen kann. Wenn ein forensischer Fachmann aus diesem Video irgendwelche Schlüsse dieser Art ziehen würde, würden sie mit Sicherheit falsch sein.
Dann ließ ich das Podium hinter mir und ging über den Trampelpfad zum Gebüsch. Dort machte ich einen Schwenk über den Abschnitt, in dem ich die Leiche abzulegen gedachte. Auf dem Rückweg zu meinem Jeep stieß ich auf keinen einzigen Menschen. Das war gut so, denn ich grinste bei dem Gedanken an das Gesicht des Zeitungsverlegers beim Empfang meiner Weihnachtsbotschaft von einem Ohr zum anderen vor mich hin.
Die Nachricht diente noch zwei anderen Zwecken. Sie würde zum einen die Zeit zum Auffinden von Gareth’ Leiche verkürzen, was der Publicity-Maschine in einer Periode geringen Nachrichtenaufkommens eine Menge Futter verschaffen und sie auf Hochtouren halten würde. Zum anderen würde sie die Polizei auf eine falsche Spur hetzen, indem sie herauszufinden versuchte, wer Zugang zu diesen Weihnachtskarten hatte.
Die Polizei würde vielleicht sogar zu dem Gedanken verleitet, jemand aus Gareth’ beruflichem Umfeld hätte ihn aus dem Weg geräumt und als Trittbrettfahrer des
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