Das Lied der Sirenen
durchgeschnitten und der Körper verstümmelt.
Man geht davon aus, daß der Mann vor Eintritt des Todes gefoltert worden ist.
Obwohl diese Gegend von Carlton Park als Homosexuellenstrich bekannt ist, sieht die Polizei derzeit keinen Zusammenhang zwischen diesem Mord und den Morden an zwei jungen Männern, deren Leichen vor einigen Monaten im »Schwulenviertel« von Temple Fields gefunden wurden.
Die Leiche konnte bislang nicht identifiziert werden, und die Polizei hat noch keine Beschreibung des Opfers herausgegeben, dessen Alter auf Ende Zwanzig/Anfang Dreißig geschätzt wird.
Das Päckchen mit der Karte und dem Videoband, das am Weihnachtsabend in Bradfield aufgegeben wurde, kam mit der heutigen Morgenpost bei der Sentinel Times an. Es war an den neuen Herausgeber unserer Zeitung, Mr.Matt Smethwick, adressiert.
Mr.Smethwick sagte: »Mein erster Eindruck war, daß jemand sich einen geschmacklosen Scherz mit mir erlauben wollte, vor allem auch, weil ich mit einem der Anwälte der betroffenen Kanzlei befreundet bin.
Dann erinnerte ich mich, daß mein Freund zu einem Skiurlaub auf den Kontinent gefahren ist und er, dem ich einen so geschmacklosen Scherz im Grunde auch nicht zugetraut hätte, das Päckchen nicht hatte aufgeben können.
Ich rief die Polizei an, und man nahm die Sache dort gottlob sehr ernst.«
Ich hatte das nicht anders erwartet. Es war mir nie im Leben ernster mit einer Sache gewesen. Wenn ich die Angaben der Polizei richtig interpretierte, hatte der Gedanke, es könne sich bei Gareth um den dritten Mord in einer Serie handeln, die Gehirne der verantwortlichen Beamten nur kurz belastet. Diese Möglichkeit aber war den Journalisten natürlich nicht entgangen, die den letzten Leichenfund als Vorwand benutzten, die Morde an Adam und Paul wieder aufzuwärmen. In der Spätausgabe der Zeitung erhielt dann sogar ein hochkarätiger Akademiker die Gelegenheit, seine salbungsvollen Sprüche loszuwerden.
IM KOPF EINES MÖRDERS
Der Mann, den das Innenministerium zum Vorkämpfer bei der Jagd nach Serienmördern ausersehen hat, äußerte sich heute über die Morde, die die Homosexuellenszene der Stadt in Angst und Schrecken versetzt.
Der forensische Psychologe Dr.Tony Hill ist seit einem Jahr an der Arbeit, ein von der Regierung finanziertes Projekt zu realisieren, das zur Einrichtung einer Nationalen Einsatzgruppe zur Erstellung von Verbrecherprofilen führen soll, wie sie beim FBI bereits besteht und in dem Film Das Schweigen der Lämmer dargestellt wurde.
Dr.Hill, 34 , war vorher Chefpsychologe am Blamires Hospital, der Hochsicherheitsanstalt, die die gefährlichsten geisteskranken Verbrecher Englands beherbergt, unter ihnen auch den Massenmörder David Harney und den Serienmörder Keith Pond, den »irren Autobahnmörder«.
Dr.Hill äußerte sich wie folgt zu den Mordfällen in Bradfield: »Ich bin von der Polizei in keinem der Mordfälle konsultiert worden und weiß somit nicht mehr darüber als die Leser dieser Zeitung.
Ich zögere daher, ein vorschnelles Urteil abzugeben, aber wenn ich dazu gedrängt werde, würde ich sagen, daß es sehr gut möglich ist, daß die Morde an Adam Scott und Paul Gibbs von derselben Person begangen worden sind.
Oberflächlich betrachtet, sieht der letzte Mord ähnlich aus, es gibt jedoch bedeutsame Unterschiede. Als erstes ist die Leiche an einem sehr anders gearteten Ort gefunden worden. Auch wenn Carlton Park ebenfalls als Homosexuellenstrich bekannt ist, so unterscheidet es sich im Milieu doch erheblich von dem städtischen Temple Fields.
Auch die Übersendung der Nachricht an die Sentinel Times ist eine bedeutsame Variation. Bei den vorherigen Fällen ist nichts dergleichen geschehen, und der Mörder bezieht sich auch nicht auf frühere von ihm begangene Morde.
Das veranlaßt mich zu der Vermutung, daß wir es bei diesen Mordfällen mit mindestens zwei Tätern zu tun haben könnten.«
Und so weiter und so fort, alles derselbe Krampf. Und alles schrie lauthals heraus: »Wir haben nicht die geringste Ahnung, wo wir mit der Suche anfangen sollen.« Ich glaubte nicht, daß angstvolle Gedanken an Dr.Tony Hill mich nachts um den Schlaf bringen würden. Ich hielt die Zeit für gekommen, den Verantwortlichen ein paar Lektionen zu erteilen, die sie so schnell nicht wieder vergessen würden.
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Ein Mann ist nicht gezwungen, seine Augen, seine Ohren und seinen Verstand abzuschalten, wenn es um Mord geht. Falls er sich nicht in einem Zustand absoluter
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