Das Lied der Sirenen
drückte mit dem hochgereckten Daumen der anderen Hand seine Zustimmung aus. »Diese Verletzungen an den Händen und Füßen – ich weiß, es klingt weit hergeholt, aber es sieht fast so aus, als ob er … gekreuzigt worden wäre.«
»Der Pathologe hat auch gezögert, das in seinen Bericht zu schreiben. Aber die Wunden an den Händen in Verbindung mit der Tatsache, daß beide Schultern aus den Gelenken gerissen waren, legen eine Kreuzigung nahe, vor allem, wenn man sich vor Augen hält, daß das vermutlich am Weihnachtstag geschehen ist.« Carol stand auf, rieb sich die Augen und konnte ein Gähnen nicht unterdrücken. Sie ging in dem kleinen Büro auf und ab und hob mehrmals hintereinander die Schultern an, um die verspannten Muskeln zu lockern. »Verdammter geisteskranker Bastard«, murmelte sie.
»Die Verstümmelungen der Genitalien sind bei Finnegan schlimmer als bei den anderen«, stellte Tony fest. »Er hat ihn regelrecht kastriert. Und dann diese tödliche Verletzung – der Schnitt in die Kehle. Auch er ist tiefer.«
»Können wir daraus irgend etwas folgern?« fragte Carol, war jedoch kaum zu verstehen, weil sie wieder gähnen mußte.
»Mir geht es wie Ihrem Pathologen, ich möchte nicht spekulieren«, antwortete Tony. Er nahm sich jetzt den letzten Satz Fotos vor. Zum erstenmal sah Carol, daß er seine beruflich-ausdruckslose Maske fallen ließ. Entsetzen verzerrte sein Gesicht, ließ ihn die Augen aufreißen und tief einatmen. Sie war nicht überrascht. Als sie Damien Connollys Leiche umgedreht hatten, war ein einsneunzig großer Detective, ein bekannter Rugby-Spieler, in Ohnmacht gefallen. Selbst der erfahrene Pathologe hatte sich einen Augenblick weggedreht und dagegen angekämpft, sich übergeben zu müssen.
Die Leichenstarre hatte die Verformung von Damien Connollys Gliedmaßen zu einer Parodie menschlicher Gebärden verfestigt. Die aus den Gelenken gerissenen Arme und Beine standen in irren Winkeln vom Körper ab. Aber da war noch mehr und noch Schlimmeres. Sein Penis war abgeschnitten und ihm in den Mund gesteckt worden. Sein Torso war von der Brust bis zur Leistengegend in einem bizarren, zufällig wirkenden Muster mit sternförmigen, etwa einen Zentimeter großen Brandmalen übersät.
»Um Gottes willen!« stieß Tony aus.
»Er beherrscht sein Handwerk bestens, nicht wahr?« sagte Carol bitter. »Sicher ist er stolz auf seine Arbeit.«
Tony zwang sich, die widerlichen Fotos so sorgfältig zu studieren wie die anderen vorher. Schließlich fragte er: »Hat jemand schon mal eine Theorie entwickelt, ob er diese Brandmale aus einem besonderen Grund verursacht hat?«
»Nein, niemand«, antwortete sie.
»Sie sind irgendwie seltsam. Die Muster variieren. Es sieht nicht so aus, als ob er blindlings für alle denselben Gegenstand benutzt hätte. Es sind mindestens fünf verschiedene Formen zu erkennen. Haben Sie jemanden, der eine Computeranalyse der Muster machen kann, um festzustellen, ob es sich um eine versteckte Botschaft handelt? Es gibt Dutzende dieser verdammten Brandmale!«
Carol rieb sich erneut die Augen. »Keine Ahnung. Mit Computern hab ich nichts am Hut. Ich werde mich erkundigen, wenn ich wieder im Büro bin. Und wenn wir dienstlich niemanden auftreiben können, werde ich meinen Bruder fragen.«
»Ihren Bruder?«
»Michael ist ein Computergenie. Er arbeitet an der Erstellung von Software für Computerspiele. Wenn Sie ein vorhandenes Muster analysiert, manipuliert oder in ein idyllisches Leg-sie-alle-um-Computerspiel verwandelt haben wollen, ist mein Bruder der richtige Mann.«
»Und er kann auch den Mund halten?«
»Wenn er das nicht könnte, wäre er in seinem Job fehl am Platz. Es stehen Millionen Pfund auf dem Spiel, daß seine Firma bei neuen Entwicklungen den anderen immer um eine Nasenlänge voraus ist. Glauben Sie mir, er weiß, wann er den Mund zu halten hat.«
Tony lächelte. »Meine Frage sollte nicht aggressiv klingen.«
»Das war ja auch nicht der Fall.«
Tony seufzte. »Ich wollte bei Gott, man hätte mich bei dieser Sache eher ins Spiel gebracht. Handy Andy wird nach diesen Morden nicht aufhören. Er ist zu verliebt in seine Arbeit. Schauen Sie sich die Fotos an. Dieser Bastard wird weitermachen und Männer in seine Gewalt bringen und foltern und töten, bis man ihn faßt. Carol, dieser Mistkerl ist ein Berufskiller.«
[home]
Auf 3 ½ Zoll-Diskette, Beschriftung: Backup. 007 ;
Datei Love 005 .doc
Mutig trat ich zum Eingang und läutete an Adams Tür. In
Weitere Kostenlose Bücher