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Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)

Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Bouvier
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versteckten uns schnell.
    »Wenn Vater uns findet!«, wandte ich ein, denn er hatte uns strikt verboten, unsere Kammer zu verlassen. Doch Peter bedeutete mir nur, still zu sein. Wenig später polterten die Schritte des Arztes über uns hinweg. Als mein Vater ihn hörte, verließ er seine Studierstube.
    »Was ist mit ihr?«, fragte er streng.
    »Nun, Herr Blumfeld, wie soll ich sagen.« Als ich durch die Zwischenräume der Treppe blickte, sah ich, dass er sich über den Bart strich. »Ihre Haushälterin ist guter Hoffnung.«
    »Sie erwartet ein Kind?«
    »Ja, sogar schon seit vier Monaten. Sie hat versucht, es zu verbergen, doch letztlich hat das Abschnüren ihres Leibes die Ohnmacht verursacht.« Der Arzt sah Vater eindringlich an. »Sie sollten Sie fragen, wer der Vater ist. Es wäre wirklich an der Zeit, dass er sie heiratet, damit sie vor der Schande bewahrt wird.«
    Nachdem mein Vater den Arzt hinausbegleitet hatte, schritt er lange im Haus auf und ab. Offenbar überlegte er, was er mit Luise tun sollte. Als er schließlich die Treppe hinaufging und hinter Luises Tür verschwand, nutzten wir die Gelegenheit, um wieder in unsere Kammer zu schleichen.
    Als ich mich auf mein Bett setzte, hatte ich einen schmerzenden Kloß im Magen. Wieder sah ich meinen Vater vor mir, wie er auf Luise lag, und irgendetwas sagte mir, dass er der Vater ihres Kindes war. Musste er sie jetzt heiraten? Und was war dann mit Mutter?
    Auch Peter versank in Gedanken. Dabei drehte er ein paar Murmeln in den Händen hin und her, warf sie schließlich aufs Bett und stürmte nach draußen. »Peter, wo willst du hin?«, fragte ich, doch als die Tür ins Schloss fiel, sah ich ein, dass es besser war, ihm jetzt nicht zu folgen.

11. Kapitel

    In den folgenden Wochen nahm Onawah Marie des Öfteren zum Kräutersammeln mit in den Wald. Von den indianischen Pflanzenbezeichnungen konnte sich Marie nicht sehr viele merken, doch sie machte sich zahlreiche Notizen und hoffte, sie später einmal auswerten und vervollständigen zu können. Die Fülle der Pflanzen, die die Cree zur Behandlung von Wunden und anderen Leiden kannten, war grandios. Kein deutscher Apotheker hätte bei diesem Wissen mithalten können. Beinahe zu jedem Leiden, das diesem Volk bekannt war, gab es in der Natur auch eine Arznei. »Und wo es keine Arznei gibt, gibt es Gesänge und Trommelschläge, um die Götter gnädig zu stimmen und Heilung zu bringen«, erklärte die Heilerin bedeutungsvoll, aber mit einem verschmitzten Lächeln.
    Neben all dem Wissenswerten, das sie erfuhr, genoss Marie die Momente der Stille im Wald. Onawah hatte keine Angst vor Bären oder Wölfen; auch als einmal plötzlich ein Gewitter einsetzte, bewahrte sie die Ruhe.
    »Der Donnervogel holt nur seine Opfergaben, nichts weiter.«
    Marie erfuhr, dass die Cree einen Regengott namens Donnervogel anbeteten. Jeden Tag baten sie ihn um Regen, fruchtbare Büffel und Glück. Opfergaben wurden an sogenannten heiligen Stätten abgelegt, meist Lichtungen oder mysteriös aussehenden Felsen.
    Zurück im Lager begannen sie, die Kräuter weiterzuverarbeiten. Meist wurden sie getrocknet, denn so hielten sie sich am längsten. Einige Blätter legte Onawah auch in Büffelfett ein.
    Die meiste Zeit über schwiegen sie, doch Marie entging nicht, dass die Heilerin sie genau musterte.
    »Du hast etwas auf der Seele«, begann Onawah, als sie nebeneinander Kräuter sortierten, die mit langen Grashalmen zu kleinen Bündeln zusammengebunden wurden. »Ich spüre deine schwere Last.«
    Um ein Haar wäre Marie der Strauß, den sie so sorgsam gebunden hatte, aus der Hand gefallen. Zitternd legte sie ihn ab und beobachtete, wie sich der Grashalm, den sie ein paar Mal um die Stiele gewickelt hatte, wieder löste.
    Die Heilerin beobachtete sie genau. Marie war sich darüber im Klaren, dass es nichts brachte, sie zu belügen.
    »Es ist wegen meines Bruders. Er …«
    »Du hast deinen Bruder verloren, richtig?«
    Marie nickte. »Ja, er war Lehrer … Er …«
    Weiter kam sie nicht, denn auf einmal hatte sie das Gefühl, als wären die Worte ein Seil, das sie zu strangulieren drohte.
    »War er krank?«
    Der Einfachheit halber nickte Marie, auch wenn sie genau wusste, dass es nicht so war. Doch sie wollte jetzt nicht mehr daran denken.
    »Darf ich dich etwas fragen, Onawah?«, begann sie, denn etwas brannte ihr schon seit geraumer Zeit auf der Seele.
    Die Heilerin nickte.
    »Gibt es in dieser Gegend viele Wölfe mit weißem Fell?«
    Onawah hielt

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