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Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)

Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Bouvier
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während sich ihr Innerstes zusammenklumpte. Hatten Stella und Jeremy nun doch einen Termin ausgemacht? War Rose mal wieder vorlaut und verkündete etwas, was sie noch nicht verkünden sollte? Mittlerweile hatte Marie gemerkt, dass das ein spezieller Wesenszug an ihrer künftigen Cousine war.
    »Wir haben eine Einladung erhalten!«, platzte Rose heraus und hielt ihr den Umschlag unter die Nase. Dass er noch verschlossen war, wunderte Marie ein wenig. Lediglich der Schriftzug Mrs Stella Ferguson war auf dem sehr edlen Büttenpapier zu sehen.
    »Woher weißt du, dass es eine Einladung ist?«
    »Weil die Bellamys ihre Einladungen immer in solchen Umschlägen verschicken, wenn sie zu ihrem Wohltätigkeitsball bitten. Jedes Jahr laden die Bellamys andere Gäste aus der Stadt ein, und in diesem Jahr sind wir dran.«
    Marie wusste zunächst nicht, ob sie sich darüber freuen sollte, bedeutete ein öffentlicher Auftritt doch nur wieder Fragen nach ihrer Reise, den Indianern und ihrer Anstellung als Lehrerin.
    Doch zum ersten Mal sah sie nun echtes Feuer in Roses Augen. Vielleicht sollte ich die Gelegenheit nutzen und mich ein wenig mit ihr anfreunden, dachte sie fast ein wenig schuldbewusst. Dann ist es vielleicht nicht mehr ganz so seltsam hier.
    »Vielleicht sollten wir beide zur Schneiderin gehen und uns zur Feier des Tages neue Kleider machen lassen!«, schlug Marie also vor. Von ihrem Lehrerinnengehalt würde sie sich zwar keine große Robe leisten können, aber etwas Schlichtes, Elegantes war sicher möglich, wenn man nur den richtigen Stoff auswählte. Das Ballkleid in Dryden fiel ihr wieder ein. Dabei merkte sie, dass sie mittlerweile an den Nachmittag mit Angus Johnston denken konnte, ohne dass sich ihr Magen schmerzhaft zusammenzog.
    Rose wurde auf einmal blass. »Mutter wird nicht erlauben, dass ich zur Schneiderin gehe.«
    Marie runzelte die Stirn. »Warum denn nicht? Will sie denn nicht, dass ihre Tochter einen stattlichen Bräutigam bekommt?«
    »Schon, aber wir haben ja noch immer Trauerzeit.« Plötzlich schien ihr ein Gedanke zu kommen, den sie zuvor noch nicht bedacht hatte. Wie weggeblasen war ihre plötzliche Freude auf einmal. »Wer weiß, ob Mutter deswegen überhaupt gehen will.«
    »Aber wir waren doch auch bei den Woodburys.«
    »Das ist etwas anderes.«
    Marie seufzte. Warum verhielt sich Rose nur so? Wollte ihre Mutter vielleicht nicht, dass sie das Haus verließ? Andere Mädchen in ihrem Alter waren längst verlobt oder sogar verheiratet – es sei denn, sie hatten sich in den Kopf gesetzt, Lehrerin zu sein …
    »Komm, Rose, es kann doch nicht schaden, einen kleinen Bummel zu machen. Du bist eine hübsche junge Frau, die ein wenig Sonnenlicht vertragen kann. Sollte deine Mutter doch zum Ball gehen wollen, brauchen wir ein neues Kleid für dich, du kannst auf keinen Fall in dem Trauerkleid gehen.«
    »Aber …«
    »Und außerdem kannst du dir doch etwas in Schwarz nähen lassen!«, fiel ihr Marie ins Wort, denn sie spürte, dass sich Roses Bedenken allmählich auflösten. »Das ist nicht unschicklich, und dennoch werden dich die Burschen anschauen.«
    »Ich weiß nicht …«, zierte sich Rose noch immer, doch ihr war anzusehen, dass es ihr gefallen würde, von jungen Männern angesehen zu werden.
    Marie erhob sich, ging zur Tür und streckte die Hand nach ihr aus. »Komm, Rose, lass uns ein wenig in die Stadt gehen. Es schadet sicher nicht, sich die Kleider anzusehen. Wir müssen doch nichts kaufen, anschauen kostet nichts.«
    Zögernd ergriff Rose Maries Hand und ließ sich zur Treppe ziehen.
    Den ganzen Weg durch die Stadt wirkte Rose unsicher. War sie hier noch nie ohne ihre Mutter unterwegs gewesen?, fragte sich Marie, während sie bekannte Gesichter unter den Passanten entdeckte und grüßte. Seit sie im Unterricht über die Cree schwieg, waren Mrs Blake und ihre Freundinnen nicht mehr aufgetaucht, und alle anderen Eltern behandelten sie mehr oder weniger freundlich.
    Lächelnd schloss sie die Augen und genoss die Septembersonne, die sie noch immer mit warmen Strahlen verwöhnte. Dabei fiel ihr ein, dass Philipp ihr in der vergangenen Woche vom Indian Summer erzählt hatte, der die Wälder in einen Malkasten voller Rot-, Gelb- und Brauntöne verwandelte. Seitdem wartete sie begierig darauf, dass der Sommer voranschritt und der Herbst allmählich auf seinen Thron drängte.
    Als sie die Augen wieder öffnete, standen sie vor der Auslage eines Schneidergeschäfts, in dem man neben

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