Das Lied des Achill
Agamemnon in heillose Wut. Seine Fingerknöchel traten weiß hervor, so fest hielt er das Zepter umklammert, einen Holzknüppel, mit Eisenband umwickelt. Als ein Mann vor ihm ausspuckte, schlug er ihn mit dem Zepter nieder. Wir alle hörten seinen Schädel krachen. Er stand nicht mehr auf.
Ich glaubte nicht, dass Agamemnon ihn absichtlich dermaßen hart bestrafen wollte. Wie versteinert starrte er auf die zu seinen Füßen liegende Leiche. Ein anderer ging davor in die Knie und wälzte sie auf den Rücken. Der Schädel war zertrümmert, zur Hälfte eingedrückt von der Wucht des Schlags. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht. Viele zogen ihre Messer. Ich hörte Achill etwas murmeln, und plötzlich war er von meiner Seite gewichen.
Agamemnons Miene verriet, dass ihm die verhängnisvolle Schwere seines Fehlers nach und nach bewusst wurde. Er hatte sich fahrlässigerweise von seinen loyalen Leibwachen entfernt und war nun von meuternden Soldaten umzingelt, ohne Aussicht darauf, dass ihm jemand zu Hilfe eilte. Ich hielt die Luft an und war mir sicher, ihn gleich sterben zu sehen.
»Männer von Griechenland!«
Alle Köpfe fuhren herum. Achill stand auf dem Haufen aus Schilden und Schwertern, von Kopf bis Fuß eine wahrhaft heldenhafte Erscheinung, schön, kraftvoll und mit ernster Miene.
»Ihr seid wütend«, sagte er.
Ein jeder fühlte sich angesprochen. Sie waren wütend. Und dass ein Anführer dies einräumte, war ohne Beispiel.
»Sprecht aus, was euch verärgert«, sagte er.
»Wir wollen nach Hause zurückkehren!«, schallte es aus den hinteren Reihen der Menge. »Es hat keinen Sinn, weiter zu kämpfen.«
»Agamemnon hat uns belogen!«
Zustimmendes Raunen wurde laut.
»Wir sind seit vier Jahren hier«, empörte sich eine besonders wütende Stimme. Ich hatte dafür Verständnis, obwohl mir diese vier Jahre wie ein überreiches Geschenk vorkamen, das den Händen knausernder Schicksalsgöttinnen abgerungen worden war. Doch für sie waren diese Jahre vergeudete Zeit, gestohlen von ihren Frauen und Familien.
»Ihr habt das Recht, Unmut zu äußern«, sagte Achill. »Euch wurde ein schneller Sieg versprochen, und nun fühlt ihr euch betrogen.«
»Ja!«
Ich warf einen Blick auf Agamemnon und dessen wutverzerrtes Gesicht. Er steckte in der Menge fest, zum Schweigen verurteilt, denn jedes falsche Wort hätte zu Tumulten geführt.
»Hört mich an!«, rief Achill. »Glaubt ihr, dass der Aristos Achaion in einem aussichtslosen Krieg kämpft?«
Alles schwieg.
»Nun?«
»Nein«, sagte jemand.
Achill nickte ernst. »So ist es, und darauf gebe ich euch mein Wort. Ich glaube an unseren Sieg und werde erst dann die Waffen strecken, wenn wir ihn errungen haben.«
»Du sprichst für dich«, rief eine andere Stimme. »Aber was ist mit denen, die abziehen möchten?«
Agamemnon öffnete den Mund, um zu antworten. Ich konnte mir vorstellen, was er sagen wollte. Niemand zieht ab! Wer Fahnenflucht begeht, wird hingerichtet! Aber zum Glück war Achill schneller.
»Es steht jedem frei, zu gehen, wann es ihm beliebt.«
»Wirklich?«, zweifelte jemand.
»Ja.« Er legte eine Pause ein und zeigte sein unbekümmertes, freundliches Lächeln, wozu nur er imstande war. »Aber wenn wir Troja einnehmen, geht euer Anteil der Beute an mich.«
Es war deutlich zu spüren, wie sich die Spannung löste. Manche lachten. Prinz Achill hatte wieder Beute in Aussicht gestellt, und wer gierig war, der hoffte auch.
Er bemerkte den Stimmungsumschwung und sagte: »Es wird höchste Zeit, dass wir wieder zu den Waffen greifen. Die Trojaner glauben sonst noch, wir hätten Angst.« Er zog sein glänzendes Schwert und hielt es in die Höhe. »Wer wagt es, sie eines Besseren zu belehren?«
Vereinzelt wurde Zustimmung laut, die schnell auf andere übergriff, und bald war alles in Bewegung, die Männer griffen nach ihren Waffen. Man trug den Toten fort und war sich einig darüber, dass er schon immer nur für Ärger gesorgt hatte. Achill sprang vom Podest und ging mit einem knappen Kopfnicken an Agamemnon vorbei. Der König von Mykene sagte nichts, aber ich sah, wie er dem Prinzen lange nachblickte.
Nach dieser Beinahe-Rebellion ersann Odysseus ein Beschäftigungsprogramm zur Vorbeugung weiterer Aufstände. Er schlug vor, das ganze Lager mit einem mächtigen Palisadenzaun samt lanzenbewehrtem Graben zu umgeben, insgesamt sechzehn Kilometer lang, damit unsere Zelte und Schiffe vor Angriffen der Trojaner geschützt sein würden.
Als
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