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Das Lied des Dunklen Engels

Das Lied des Dunklen Engels

Titel: Das Lied des Dunklen Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul C. Doherty
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stopfte sich hungrig einige Brot- und Bratenbissen in den Mund und ging in der Speisekammer auf und ab. Alice kam mit Selditch herein. Sie besprachen heiter und entspannt die Ereignisse des Tages, da Monck sich bereits auf einem Spaziergang befand.
    »Allein wie immer«, sagte Gurney und schnitt eine Grimasse. »Ich habe noch nie einen Mann getroffen, der so sehr von seiner eigenen Gesellschaft angetan war.« Dann stellte er seinen Krug ab, da vor dem Haus Tumult ausbrach. Mit lärmenden Stiefeln stürzte Catchpole in die Speisekammer.
    »Sir Simon!« Ganz außer Atem, lehnte sich Catchpole gegen den Türrahmen. »Sir Simon, Sir Hugh, Ihr kommt besser sofort mit!«
    »Was ist los?« fragte Alice mit schriller Stimme.
    Catchpole wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. »Ich war unten im Dorf. Sie haben Gilbert und seine Mutter gefangen.«
    »Gott stehe uns bei!« Gurney griff nach seinem Mantel und rief den Dienern zu, die Pferde zu bringen.
    »Was werden sie tun?« fragte Corbett.
    »Sie werden Gilbert zu einem Geständnis zwingen, und zwar auf die alte Art, indem sie ihn unter eine stabile Eichentür legen und diese dann mit Steinen beschweren.«
    »Und Gunhilda?«
    »Sie haben den Tauchstuhl hervorgekramt.«
    Gurney verließ eilig den Raum. Corbett ging auf sein Zimmer zurück, schnallte sich sein Schwert um, zog Stiefel und Mantel an und schaute niedergeschlagen auf seine beiden Diener. Diese schnarchten noch immer lautstark. Daraufhin eilte er wieder nach unten, um sich Gurney und Selditch anzuschließen, die bereits gestiefelt und gespornt im Hof standen und ungeduldig nach ihren Pferden riefen. Wenige Minuten später verließen die drei in Begleitung von sechs stämmigen Dienern das Herrenhaus und preschten den Weg zum Dorf entlang.
    Die Wiese vor der Schenke war voll von Leuten, die hin und her gingen. Alles befand sich in einem großen Durcheinander. Lehmklumpen, Kuhfladen und sogar ein paar Steine flogen Gurney und seinen Leuten entgegen. Sein Gefolge sorgte schließlich mit den Breitseiten der Schwerter und mit Reitgerten für Ordnung und erzwang sich einen Weg durch die Menge. Das Bild, das sich ihnen unten am Teich bot, war fürchterlich. Gilbert lag unter einer schweren Eichentür, auf die Felsbrocken und Eisengewichte gelegt worden waren. Der flachsblonde junge Mann hatte halb das Bewußtsein verloren und stöhnte leise. Fulke, der Gerber, kniete neben ihm und brüllte ihn an, endlich zu gestehen. Etwas weiter hatten die Dorfbewohner einen schweren Baumstamm an das Ufer des Pfuhls gerollt und eine lange Stange mit einem kleinen Stuhl an ihrem einen Ende darübergelegt. Auf diesem war eine alte Frau wie ein Strohsack festgebunden, die einen erschütternden Eindruck machte. Ihre zerlumpten Kleider waren durchnäßt, und in ihrem langen grauen Haar hatten sich Wasserpflanzen verfangen. Eine Gruppe kräftiger Männer tauchte die Arme unter Anführung von Robert dem Vogt immer wieder ins eisige Wasser, und die Menge, auch Frauen und Kinder, rief: »Gesteh! Gesteh! Gesteh!«
    »Das ist Mord!« brüllte Corbett.
    Er ging auf die Männer zu und schob den Vogt beiseite. Hinter ihm hoben Gurney und die anderen Gewichte und Eichentür von dem hingestreckten jungen Mann.
    »Ihr habt hier nichts zu sagen!« Das Antlitz des Vogts war wutverzerrt und ohnehin bereits von Ale gerötet und aufgedunsen.
    Corbett zog sein Schwert.
    »Ich bin Sir Hugh Corbett, der Abgesandte des Königs hier im Ort. Dieser Frau wird ein ordentlicher Prozeß gemacht!«
    Die Menge reagierte auf seine Worte mit gemurmeltem Protest und machte Robert, dem Vogt, damit Mut. Dieser trat einen Schritt vor. Corbett nahm sein Schwert in beide Hände und hob es über den Kopf.
    »Was wollt Ihr tun, Robert?« fragte er leise. »Mich angreifen?« Der Vogt trat eilig zurück.
    »Zieht die Schlampe aus dem Wasser!« rief er über die Schulter. Die Stange aus Eschenholz wurde zurückgezogen und der Stuhl im seichten Wasser am Rand des Teiches niedergelassen. Corbett watete auf ihn zu.
    »Christus erbarme dich!« sagte er leise.
    Gunhildas graue Haare klebten an ihrem faltigen Gesicht. Corbett warf nur einen kurzen Blick in ihre halboffenen Augen mit den schweren Lidern und auf ihren hängenden Unterkiefer und wußte, daß es zu spät war. Er fühlte nach der Halsschlagader und nach den Pulsadern an ihren mageren Handgelenken, aber nichts, rein gar nichts rührte sich. Er zog seinen Dolch, löste ihre Fesseln und hob sie mit beiden Armen hoch. Sie war

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