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Das Lied des Dunklen Engels

Das Lied des Dunklen Engels

Titel: Das Lied des Dunklen Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul C. Doherty
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die Handgelenke und Knöchel der beiden Männer. Blanche trat ein paar Schritte beiseite und drehte ihnen den Rücken zu. Sie starrte in den Kamin.
    Corbett nahm den Dolch und steckte ihn in seinen Gürtel. »Laßt mich ganz am Anfang beginnen«, sagte er. »Vor vier oder fünf Jahren erfuhr der König von Rittern des Johanniterordens, daß junge frei geborene Männer und Frauen aus diesem Reich in die Sklaverei verkauft werden, im Regelfall für Zwecke der Prostitution. Sie werden besonders geschätzt wegen ihrer blonden Haare und hellen Haut und erzielen auf den Sklavenmärkten Nordafrikas hohe Preise.« Corbett ging wieder zum Tisch und nahm einen Schluck aus seinem Becher. »Dieser skandalöse Handel«, fuhr er fort, »ist immer wieder von den Päpsten und Konzilen verdammt worden - es sind nicht nur englische Männer und Frauen betroffen. Es handelt sich in der Tat um die eine Sache, in der sich Philip von Frankreich und Edward von England einig sind, daß man dem einen Riegel vorschieben muß, obwohl ihnen das nicht gelingt. Dieser Handel hat eine lange Tradition, erreichte aber mit dem Kinderkreuzzug vor fast hundert Jahren ungeahnte Ausmaße und reizte den Appetit der Sklavenhändler nur noch mehr.«
    »Davon habe ich schon einmal gehört«, sagte Gurney.
    »Eine seltsame Geschichte«, fuhr Corbett fort, »Tausende von Kindern aus ganz Europa wurden von einem Schäfer jungen, der
    Stephen hieß, überzeugt, ihm auf einen Kreuzzug ins Heilige Land zu folgen. Wenige erreichten es, wenn überhaupt welche. Die meisten fielen Sklavenhändlern in die Hände und wurden auf den Märkten Algeriens und Ägyptens verkauft.«
    Gurney erhob sich. »Das ist Geschichte«, sagte er, »aber wollt Ihr damit sagen, daß diese zwei Anführer der Pastoureaux in den augenblicklichen Handel verstrickt sind? Sie leben in Armut...«
    Ranulfs plötzliches Lachen unterbrach ihn. »Geht zur Eremitage, Sir Simon, und schaut Euch die privaten Gemächer dieses ehrenwerten Paares an. Dort findet Ihr Wolldecken, Kissen, gefüllt mit Gänsefedern, seidene Laken und Weinfässer, die speziell aus Bishop’s Lynn geliefert werden. Die übrigen der Gemeinschaft darbten, diese beiden ganz bestimmt nicht«
    »Ich wette«, sagte Corbett, der ein wachsames Auge auf Blanche hielt, die immer noch vor dem Kaminfeuer stand, »daß Master Joseph und Philip Nettler auch das eine oder andere prächtige Landgut hier im Königreich besitzen. Gelegentlich sind sie auch nach Bishop’s Lynn geritten, um dort in den Fleischtöpfen zu schwelgen.«
    »Das ist nicht wahr«, murmelte Master Joseph. »Wir haben damit nichts zu tun. Sir Simon, Ihr habt recht. Wie hätten wir davon profitieren sollen?«
    »Nichts einfacher als das«, entgegnete Corbett. »Ihr reist durch das Königreich, verbringt einmal ein Jahr hier, dann achtzehn Monate dort. Dann zieht Ihr Euch eine Zeitlang zurück, um Euren schändlichen Profit zu genießen. Vielleicht in einem schönen Haus in London oder Lincoln. Dann taucht Ihr wie Schauspieler auf der Bühne wieder in der Szene auf. Ihr kommt an einen einsamen Ort wie Hunstanton und gebt Euch als eine Art heiliger Franz von Assisi aus. Ihr schart die jungen Leute mit Euren Träumen, Idealen und Visionen von Reisen zu exotischen Plätzen um Euch. Diese jungen Leute bleiben eine Weile lang bei Euch. Ihr wollt sichergehen, daß es keine Proteste gibt, und das ist auch wirklich nur sehr selten der Fall. Schließlich sind viele Bauernburschen und -mädchen nur allzu froh, sich nicht den schlechten Böden dieser Gegend versklaven zu müssen. Und warum sollten ihre Eltern auch Widerspruch einlegen? Sie haben so schließlich ein Maul weniger zu stopfen, wenn der Winter kommt.«
    »Aber die Kapitäne der Schiffe - sie müssen in dieses Geschäft doch auch verwickelt sein!« rief Gurney.
    »Ein schwunghafter Handel«, erklärte Corbett. »Viele Kapitäne sind gern bereit, sich an diesem lukrativen Geschäft zu beteiligen, vor allen Dingen, da es so einfach ist. Niemand stellt irgendwelche Fragen, keine Zölle, die gezahlt werden müssen, niemand erhebt Einspruch.«
    »Die Opfer könnten das tun«, winselte Nettler, sein einziger Versuch, sich zu verteidigen.
    »Habt Ihr jemals versucht, einem Kapitän zu entkommen, der gutes Silber für Euch gezahlt hat? Oder aus einem Bordell in Marseille oder Salerno oder einem Harem im Osmanischen Reich? Und falls Euch die Flucht doch gelingt, wohin solltet Ihr Euch wenden? Falls es denen, denen Ihr gehört, nicht

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