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Das Lied des Dunklen Engels

Das Lied des Dunklen Engels

Titel: Das Lied des Dunklen Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul C. Doherty
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Panik.
    Er rannte um sein Leben. Er erinnerte sich an den Dorfklatsch. Der Angreifer aus der Eremitage hatte ihn dort liegenlassen, damit es so aussehe, als sei er ein weiteres Opfer der launischen See geworden. Er taumelte weiter, sah, daß er auf beiden Seiten von den Wellen überholt wurde. Er rang nach Luft und schien dem Pfad keinen Schritt näher gekommen zu sein. Sein Mantel hatte sich mit Seewasser vollgesogen. Corbett zog ihn aus, legte ihn über den Arm und rannte weiter. Das Meer gewann jedoch das Rennen: Gelegentlich stand er bis zu den Oberschenkeln im Wasser, und der Pfad schien eine Ewigkeit entfernt zu sein. Da hörte er Hufschlag und seinen Namen rufen. Neben ihm war Ranulf, der von seinem Pferd etwas zu ihm herunterbrüllte. Corbett versuchte, hinter ihm aufzusitzen, wurde jedoch von einem Brecher erfaßt und zurückgeworfen. Ranulf beugte sich herab und zerrte ihn über den Sattel. Der Sattelknauf bohrte sich dabei schmerzhaft in Corbetts Bauch. Dann ritt Ranulf wie der Wind. Er hielt pfeilgerade auf den Pfad zu, der aufs Kliff führte. Sie erreichten ihn, und Ranulf stieg ab und schob Corbett in den Sattel. Er führte das Pferd den Pfad hinauf, fluchte, wenn er ausglitt, und blieb erst stehen, als sie den sturmgepeitschten Ginster oben auf dem Kliff erreicht hatten. Ranulf warf die Zügel hin und ließ sich aufs Gras fallen. Corbett lehnte sich über den Hals des Pferdes und erbrach sich. Dann stand Ranulf wortlos auf, schlang sich die Zügel um das Handgelenk und schleppte sich nach Mortlake Manor zurück.
    Gurney stand, Selditch neben sich, auf dem Hof und sprach mit einigen Gefolgsleuten. Beide warfen nur einen kurzen Blick auf den durchnäßten Corbett und auf das wütende Gesicht Ranulfs und eilten herbei.
    »Was ist passiert?«
    »Jemand hat versucht, meinen Herrn zu ermorden«, fauchte Ranulf. Er baute sich mit verschränkten Armen vor Gurney auf. »Ein Schlag über den Kopf, bevor man ihn wie einen alten Sack an den Strand geworfen hat, damit ihn die Flut wegspült. Was würdet Ihr dann an den König schreiben, Sir Simon? Ein bedauerlicher Unfall?«
    Gurney wurde bleich und trat einen Schritt zurück, als er die Wut in Ranulfs grünen Augen bemerkte. Selditch eilte herbei, um Corbett aus dem Sattel zu helfen.
    »Verschwindet!« knurrte Ranulf. Er sah sich im Hof um. »Hört zu. Hört alle gut zu! Und ihr könnt das auch in der Schenke herumerzählen. Wenn mein Herr hier stirbt, dann gelobe ich, Ranulf-atte-Newgate, daß Ihr keine ruhige Minute mehr haben werdet!« Jetzt sprach er ganz leise. »Ich werde zurückkehren! Mit so vielen Männern wie möglich und einer Vollmacht des Königs! Glaubt mir, Sirs, man wird sich hier auch dann noch an meinen Besuch erinnern, wenn schon alle tot sind!«
    Daraufhin half Ranulf Corbett aus dem Sattel. Er legte sich den Arm seines Herrn um die Schultern, führte ihn hinauf in ihr Zimmer und legte ihn vorsichtig aufs Bett. Alice brachte einen Becher stark gewürzten, blutroten Burgunder. Sie verzog mißbilligend das Gesicht, als Ranulf sie dazu aufforderte, vorzukosten. Schließlich nahm er selbst einen Schluck und machte seiner Gastgeberin die Tür vor der Nase zu. Er hielt Corbett den Becher an die Lippen und zwang ihn, zu trinken. Als dieser eingeschlafen war, entkleidete und wusch er ihn, legte ihn zwischen die Laken und deckte ihn gut zu. Dann verließ er das Zimmer, schloß hinter sich ab, ging hinunter in die Küche und befahl den Dienern, Ziegelsteine zu erhitzen, die er in das Bett seines Herrn legte, und bestellte Hühnersuppe und anderes Essen.
    Den Rest des Tages und den größten Teil der Nacht kümmerte sich Ranulf um Corbett. Er fütterte ihn, wenn er aufwachte, und verband die schlimme Kopfwunde, sobald er wieder eingeschlafen war. Schließlich war Ranulf zufrieden. Man hatte Corbett bewußtlos geschlagen und ihm eine üble Wunde beigebracht. Die größte Wunde war jedoch psychisch: der Schock, am Strand zu erwachen, und der mörderische Wettlauf mit der Flut. Am anderen Morgen erwachte Corbett zwar noch bleich, aber ausgeruht.
    »Noch bin ich nicht tot, Ranulf.«
    Ranulf grinste. »Ihr könnt auch, verdammt noch mal, jetzt noch nicht sterben! Ich befinde mich erst am Anfang der schwankenden Karriereleiter.«
    Ranulf beobachtete seinen Herrn besorgt. Er hatte ihm alles zu verdanken. Wenn er darüber nachdachte, dann hatte Ranulf eine ebenso große Angst wie Maeve, daß Corbett das Opfer eines Meuchelmörders werden könnte. Der Diener ging

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