Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)
Geschriebene mit Sand und reichte es dem Magister. Der starrte durch seine Gläser und grummelte tonlos: »Ja, ja, der Overstoltz.«
»Ja, einer von denen ist auch dabei. Ich habe noch nicht herausgefunden, in welcher Beziehung er zu dem falschen Schöffen steht, der im letzten Jahr seines Amtes enthoben wurde. Aber vielleicht erhellt Ihr diesen Umstand.«
Magister Jakob erhob sich und steuerte auf die Tür zu.
»Ihr …«, begann Marian.
»Haltet mich nicht auf, die Zeit drängt!«, wurde er beschieden, und mit wehendem Talar verschwand der Notarius.
Marian sah ihm mit einem Kopfschütteln nach. Ein wunderlicher Kauz, der Magister. Aber er würde anfangen zu graben, und wer wusste schon, welchen Dreck er ans Tageslicht befördern konnte?
Eigentlich wäre er gerne zu Gislindis zurückgekehrt, um das zarte Pflänzchen der Minne mit weiterer Liebeslust zu nähren, doch Magister Jakob hatte recht – die Zeit drängte.
24. Kapitel
W eil ich nach singer Katz gelurt hab«, sagte Lore und trappelte mit den Füßen auf dem strohbedeckten Boden von Jennets Stall. »Wo doch der Magisterherr wech war.«
»Das hast du wirklich gut gemacht«, wiederholte Frau Catrin das Lob und setzte sich auf den dreibeinigen Hocker, um zuzusehen, wie sie, Lore, die Eselin striegelte. Ganz heiße Ohren bekam man bei solch netten Worten.
»Der Notarius ist ein kluger Mann, und er mag Frau Alyss. Er wird uns bestimmt helfen. Aber, Lore, du könntest mir auch bei einem Gang zur Seite stehen. Würdest du das machen?«
»Mach ich, aber was ist mit den Gänsen?«
»Um die kann Denise sich kümmern.«
»Die wird gezwickt und muss heulen.«
»Möglich. Dann muss sie eben lernen, sich genauso Respekt zu verschaffen wie du.«
Das bezweifelte Lore. Gog und Magog brauchten eine feste Hand und herbe Worte, weder zu dem einen noch dem anderen war die zarte Jungfer ihrer Meinung nach in der Lage. Aber Lore war bereit, über das Jammertal hinwegzusehen, das die junge Burgunderin zu durchschreiten hatte.
»Wohin gehen wir, wohledle Frau?«
»Nach Rodenkirchen. Dort besuchen wir den Winzer Franz.«
»Dem sein Weib ertrunken wurde?«
»Eine ungewöhnliche Formulierung, Lore. Aber der Sache möglicherweise angemessen. Herr Marian und Gislindis meinen, dass wir herausfinden sollten, ob Luitgard ertrunken oder ertränkt worden ist.«
Das Schicksal der Amme hatte Lore bisher eigentlich kaltgelassen, dass der Sohn der Frau Herrin umgekommen war, hatte sie jedoch traurig gestimmt. Und diese neue Sichtweise setzte augenblicklich das Räderwerk ihrer Gedanken in Bewegung, und während sie Jennets Fell mit kräftigen Strichen glättete, kam sie zu allerlei üblen Schlussfolgerungen, die sich aus ihrer Lebenserfahrung speisten.
Sie legte den Striegel fort und sah die wohledle Frau an, die sie geduldig beobachtete.
»Hat die den Jungen ersäuft?«
»Wahrscheinlich nicht, aber womöglich hat sie etwas darüber erfahren, was damals geschehen ist. Das müssen wir herausfinden.«
»Wann gehen wir?«
»Wird die Jennet das Kärrchen ziehen wollen, Lore?«
»Wenn ich ihr zurede, vielleicht.«
Das Eselskärrchen war eine neue Anschaffung und Lores ganzer Stolz. Es wurde von dem Hauswesen genutzt, wenn es darum ging, auf den Märkten Vorräte zu kaufen oder Waren vom Hafen zu holen. Allerdings hatte die Eselin häufig sehr eigene Vorstellungen davon, welchen Weg sie zu nehmen hatten, und vor allem, wann sie Pausen einlegen sollten. Das arme Vieh hatte in seinem vorherigen Leben bei dem Pferdehöker mehr Schläge als Futter bekommen und konnte durchaus als störrisch bezeichnet werden. Lediglich die Frau Herrin mit den Zauberhänden und sie, Lore, konnten das Messveech dazu bewegen, sich gefügig zu zeigen.
»Rede ihr zu, dann brechen wir gestärkt nach dem Mittagsmahl auf, Lore«, sagte die wohledle Frau und erhob sich.
Lore legte der Eselin die Arme um den Hals und flüsterte ihr die magischen Worte ins lange Ohr, auf die sie geneigt war zu hören.
»Do kriss ene Appel, Messveech. Vorher. Und hintennach kriss noch ene. Und wenn du nicht spurst, krisse Dresch! Haben wir uns verstanden, Messveech?«
Jennet nickte und zupfte mit den Zähnen an Lores Kittel.
»Bis en leev Messveech!«
Der Apfel tat seine Wirkung, das kleine Gespann zockelte am Rheinufer in Richtung Süden. An der Insel vor dem Bayenturm wurde eben einer der schweren Oberländer ins Wasser gezogen. Diese dickbäuchigen Schiffe, die die Waren, die in Köln umgepackt wurden, zu den
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