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Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)

Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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gewesen und hatte blass und zitternd am Lager seiner Tochter gestanden. Marian hatte versucht, aus seinen mühsamen Worten herauszuhören, was ihn so erschüttert hatte, und Gislindis murmelte: »Er hat Angst, dass man mich der Zauberei anklagt.«
    »Nein, Mats, das wird niemand tun. Thys und seinem gehässigen Weib Trudlin ist eine Lektion erteilt worden, die sie so schnell nicht wieder vergessen werden. Der Herr vom Spiegel, mein Vater, hat sich ihrer angenommen.«
    Und seine Worte waren wie Feuer und Schwert auf sie niedergeprasselt. Nicht nur ein umfängliches Geständnis war daraufhin erfolgt, auch das Versprechen, der Jungfer Lore nie wieder ein Haar zu krümmen, war ihnen unter Androhung biblischer Strafen abgerungen worden.
    An diesem Vormittag klopfte Marian also an die Kammertür, hinter der Gislindis sich ausruhte. So wie es aussah, ging es ihr schon wieder besser, ihre Augen wanderten munter zu ihm hin, und nur ein kleines Ächzen begleitete ihren Versuch, sich weiter aufzusetzen.
    »Bleibt liegen, liebliche Gislindis. Ich sehe, man hat Euch schon den süßen Brei gebracht.«
    »Ein köstlicher Brei, wohl wahr. Eure Mutter ist sehr großzügig.«
    »Neben vielen anderen Dingen ist sie auch das. Wie geht es Euch?«
    »Ein wenig schmerzen die Rippen noch, und in meinem Kopf pocht es.«
    »Wollt Ihr ein Mittel dagegen?«
    »Nein. Was immer die Schmerzen lindert, verwirrt auch die Träume. Und meine sind wirr genug.«
    Marian setzte sich auf den Bettkasten.
    »Wie wirr?«
    »Wenn ich darüber nachgedacht habe, sage ich es Euch. Hat Euch das, was der Thys wusste, geholfen?«
    »Es hat John nach Dellbrück geführt, und wir haben eine hässliche alte Fährte gefunden. Ihr erinnert Euch an jenen Friesen Yskalt, von dem wir glaubten, er habe Robert erschlagen?«
    »Ja, der große Heide, dem Ihr die Hand abgeschlagen habt und der dem Kerker entkommen ist.«
    »Es war Merten, der seinen Freund Constantin vamme Thurme dazu angestiftet hat, ihn zu befreien. Sie haben ihn nach Dellbrück geschafft und befragt. Gislindis – die ganze Zeit wusste Merten, dass Arndt Yskalt den Auftrag erteilt hatte, seinen Bruder zu ermorden.«
    Gislindis’ Augen weiteten sich.
    »Merten wusste, dass sein Stiefvater den Brudermord auf dem Gewissen hatte? Und er hat geschwiegen? Es ist etwas Dunkles um diesen Mann, Herr Marian. Und mit einem solchen Wissen wird er weiteres Unheil angerichtet haben.«
    »So vermuten wir. Nur was, das ist uns noch nicht ganz klar. Gislindis, im vergangenen Herbst hat man Eurem Vater einen üblen Streich gespielt. Man hat ihn trunken und benommen gemacht und an die Stelle geschleppt, an der Arndts erstochener Leichnam lag, und die Waffe neben ihn gelegt. Das war die Tat eines Mannes, der das eigene Handeln vertuschen wollte.«
    »Jener Caspar, den Mats im ›Adler‹ getroffen hatte.«
    »Das bezweifle ich. Denn inzwischen haben wir herausgefunden, dass auch hier Merten seine Hand im Spiel hatte. Er wusste schon am Tag, als sein Stiefvater Arndt in Riehl bei seiner Buhle eingetroffen war, dass der wieder im Lande war. Ich vermute, Gislindis, dass er ihm Botschaft geschickt hat, um sich mit ihm zu treffen.«
    »Und ihn zu erstechen? Warum das?«
    »Ich wüsste es gerne.«
    »Nicht im Streit«, sinnierte Gislindis.
    »Nein, nicht im Streit. Denn Euren Vater als Mörder hinzustellen war geplant. Und wie weit Caspar in diese Angelegenheit verwickelt war, werden wir wohl nie herausfinden.«
    »Es sei denn, mein Vater erinnerte sich noch an weitere Dinge. Ich werde ihn fragen.«
    Gislindis ließ sich tiefer in die Kissen sinken und schloss die Augen.
    »Ich ermüde Euch, verzeiht.«
    »Nein, das tut Ihr nicht. Doch lasst mich einen Moment sinnen. Da sind kleine bunte Steinchen, die durcheinanderwirbeln und ein Bild ergeben wollen.«
    Marian blieb also ruhig an ihrem Bett sitzen und beobachtete ihr stilles Gesicht.
    Sie war eine schöne, junge Frau mit ebenmäßigen, ruhigen Zügen. Man erkannte es nicht oft, denn meist lachte und scherzte sie, sang ihre Schleiferverse, neckte und tändelte. Oder betrachtete versunken die Hände der Ratsuchenden. Sie hatte ihm erklärt, auf welche Weise sie ihre Antworten gab, es war keine Zauberei, sondern eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe und eine tiefe Kenntnis menschlicher Nöte und Laster, die sie aus weit mehr als abgearbeiteten oder gepflegten Händen las. Ihre Weisung aber war begehrt, weil sie keine Versprechungen machte, sondern Richtungen nannte, die das Schicksal

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