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Das Lied des Kolibris

Das Lied des Kolibris

Titel: Das Lied des Kolibris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Empfängnis eines Enkelkindes betraf. Eulália hätte Dona Filomena liebend gern den Gefallen getan, möglichst bald schwanger zu werden, denn das hätte zugleich bedeutet, dass ihr wildgewordener Mann vielleicht einmal von ihr abließ. Es hätte ebenfalls die Möglichkeit in sich geborgen, dass ihr Ansehen auf Três Marias stieg. Als junge Mutter würde sie sicher mehr Rechte und mehr Freiheiten genießen als jetzt. Aber nichts tat sich. Allerdings war sie ja auch erst seit wenigen Wochen hier – Wochen, die ihr wie eine Ewigkeit erschienen.
    Allmählich konnte sie Verständnis aufbringen für Lua und alle anderen, die sich in einer so verzweifelten Lage befanden, dass sie die Risiken einer Flucht auf sich nahmen. Sie selbst hätte liebend gern auf der Stelle ihre Koffer gepackt und wäre wieder nach São Fidélio gefahren. Leider war die Stimmung dort im Moment aber nicht gerade rosig, und Eulália bezweifelte, dass ihre Anwesenheit erwünscht wäre.
    Nach dem Überfall auf ihren Vater und dem neuerlichen Verschwinden Luas war es zu einem schweren Streit zwischen ihr und ihren Eltern gekommen, in dessen Verlauf sehr unschöne Worte gefallen waren, die sie so schnell nicht würde vergessen können. Eine »törichte Pute« hatte ihre Mutter sie genannt, und als eine »Schande für São Fidélio« bezeichnete ihr Vater sie. All das nur, weil sie Lua verteidigt hatte.
    »Ein billiges Flittchen ist sie, deine Lua, sonst gar nichts. Wirft sich dem erstbesten dahergelaufenen Neger an den Hals und brennt mit ihm durch.« Dom Felipe war, was er zu Hause natürlich nicht zugeben durfte, sehr in seiner Eitelkeit getroffen. Dass Lua diesen Wilden ihm vorzog, war unverzeihlich. Dass dieser Wilde ihn niedergeschlagen hatte, war noch empörender. Und der Gipfel von allem war, dass die beiden vor aller Augen seelenruhig in seiner Kutsche davongefahren waren – und nicht mehr hatten eingefangen werden können. Das gab es doch gar nicht! Man musste doch zwei dumme Neger aufspüren können!
    Doch alle Spuren waren im Sande verlaufen. Der Kutscher, der mit einer bösen Wunde am Abend jenes Tages heimgekehrt war, war keine große Hilfe. Er schwor Stein und Bein, dass er mit vorgehaltener Pistole gezwungen worden war, die beiden Flüchtlinge in die Stadt zu bringen, und dass sie sich dort sogleich aus dem Staub gemacht hätten. Dom Felipe war geneigt, dem Kutscher zu glauben. Dennoch vergatterte er ihn zu zehn Tagen Haft im »Keller« – man konnte nie deutlich genug für Abschreckung sorgen.
    »Eine Pistole!«, rief Dona Ines zum wiederholten Mal aus. »Da sieht man, wohin es führt, wenn die Neger an Geld kommen und sich selbst überlassen sind. Völlig entfesselt sind sie! Schießen sogar auf ihre eigenen Leute …«
    »Ich würde mir mal die alte Imaculada vornehmen«, sagte Manuel. »Es kommt mir so vor, als sei sie in letzter Zeit regelrecht aufgeblüht – obwohl sie stumpfsinnig in der Ecke hockt und so tut, als sei sie völlig senil.«
    »Sie
ist
völlig senil«, erwiderte Dom Felipe. »Sie war schon alt, als ich in deinem Alter war, sie muss mittlerweile auf die hundert zugehen. Ich frage mich, warum wir ihr nicht längst die Freiheit geschenkt haben.«
    »Also wirklich, mein Lieber, diese Diskussion führen wir nicht noch einmal. Die alten Neger sich selbst zu überlassen grenzt an Totschlag. Schiere Nächstenliebe gebietet uns, sie bis zu ihrem natürlichen Ableben durchzufüttern.«
    »Wie Ihr es bei Eurem Lieblingshengst ja auch gemacht habt«, wand Eulália beleidigt ein. »Gäule bekommen das Gnadenbrot, Neger nicht.«
    »Eben doch. Haben wir schon einen Greis fortgeschickt? Na also. Im Übrigen verbitte ich mir diesen Ton«, gab ihr Vater zurück.
    »Seit wann bist du eigentlich so eine Negerfreundin?«, fragte ihr jüngerer Bruder. Manuel wirkte dabei nur wissbegierig, es lag keinerlei Ironie oder Biss in seiner Frage.
    »Seit man Lua so übel mitgespielt hat«, antwortete Eulália.
    »So, nun sind wir also wieder beim Thema«, stellte Dona Ines resigniert fest. »Es ist gut, dass du demnächst fort bist. Dann kannst du ja auf Três Marias deine fortschrittlichen Ideen in die Tat umsetzen.«
    »Seid Ihr froh, mich los zu sein? Bei Euren Sklaven macht Ihr jedenfalls mehr Geschrei, wenn sie fort sind.«
    »Du törichte Pute!«, rief Dona Ines erzürnt aus.
    Eulália war so perplex über diese ungewohnt drastischen Worte, dass sie schwer schlucken musste.
    »Offen gesagt, mein Kind, bist du mit deiner Einstellung

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