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Das Lied des Kolibris

Das Lied des Kolibris

Titel: Das Lied des Kolibris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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waren.
    Inzwischen war auch Zé zu ihnen getreten. Er begrüßte Kasinda mit einem ehrerbietigen Senken des Kopfes und einem gemurmelten afrikanischen Satz. Dann fuhr er in munterem Ton, auf Portugiesisch und an sie beide gewandt, fort: »Ja, es ist schön, eine Familie zu haben. Leider ist Lua da anderer Auffassung. Sie hat nur gern eine Besitzerfamilie.«
    Kasinda sah abwechselnd von Lua zu Zé und verzog ihr runzliges Gesicht zu einer Grimasse des Unwillens und Abscheus, als ihr Blick schließlich auf Lua liegenblieb.
    »Mbómbo nicht wissen?«
    »Nein, verflucht, Mbómbo nicht wissen! Und du nicht sagen!«
    »Was …?« Zé starrte Lua durchdringend an, als könne er sie allein durch die Intensität seines Blickes zwingen, ihm zu antworten.
    »Nichts, Zé. Eine reine Angelegenheit unter Frauen.«
    Damit gab er sich zufrieden. Er senkte erneut den Kopf vor Kasinda, sprach eine weitere afrikanische Formel, dann ließ er sie in Ruhe ihre »Frauenangelegenheiten« besprechen.
    Lua zog Kasinda fort von ihrem Lager und führte sie am Ellbogen hinab zum Strand. Zé musste nicht hören, was sie einander zu sagen hatten, wobei Lua nicht oft dazu kam, überhaupt etwas zu sagen. Kasinda überschüttete sie mit einem Schwall an Beleidigungen, halb Portugiesisch, halb afrikanisches Kauderwelsch, aber dafür doppelt eindringlich. Lua verstand sehr gut, was die Alte ihr vorwarf: Ihr Tun sei unverantwortlich. Sie könne und dürfe den Vater des Kindes nicht im Unklaren lassen, er habe ein Recht darauf, von seiner Vaterschaft zu erfahren, denn es sei ebenso sein Kind wie ihres, Luas.
    Lua versuchte Kasinda zu erklären, dass die richtige Gelegenheit für eine Offenbarung von solcher Tragweite noch nicht gekommen sei, doch das ließ sie nicht gelten. »Nie richtig Zeit, immer schwer sagen. Muss aber machen!«
    »Ich weiß, Kasinda«, gab Lua schließlich zu, »du hast ja recht. Ich werde es ihm auch sagen, bald schon. Aber misch dich bitte nicht weiter ein. Überlass mir die Wahl des Zeitpunktes.«
    Die Alte wirkte wenig überzeugt, nickte aber.
    »Dann jetzt schreiben weiter«, befahl sie Lua. »Kasinda Geschichte – Frauenangelegenheit.« Darauf lachte sie herzhaft und entblößte eine Reihe gelber, aber intakter Zähne, die aussahen wie bei einem Totenschädel, denn das Zahnfleisch hatte sich stark zurückgebildet. Lua gruselte es. Um den Schauder zu überspielen, griff sie nach dem Heft und dem Stift und beugte sich geschäftig darüber. Sie war bereit.

40
    A ls unser kleiner Uanhenga – der sich lieber Betinho rufen ließ – sieben Jahre alt wurde, musste er mit Muhongo auf die Zuckerrohrfelder. Mein Mann war einer der besten Rohrschnitter, und mein Sohn gehörte bald zu den unermüdlichsten kleinen Helfern. Die Kinder mussten den Schnittern Wasser bringen und ähnliche Handlangerarbeiten verrichten. Ich war zunächst traurig darüber, dass mein kleiner Liebling schon in so jungen Jahren mit anpacken musste. Aber Uanhenga selbst war sehr stolz darauf, dass er zusammen mit den Männern auf die Felder geschickt wurde. Er war groß für seine sieben Jahre und sehr kräftig, nur seine putzige Zahnlücke verriet sein wahres Alter.
    »Uanhenga hat ein Händchen für Tiere«, erzählte mir Muhongo eines Tages. »Das Pferd des Aufsehers hat heute wie verrückt gescheut, und unser Sohn war der Einzige, der es wieder beruhigen konnte.«
    Mir wurde ganz mulmig bei dem Gedanken, dass unser Kind sich einem sich aufbäumenden Gaul entgegengestellt haben könnte, doch ich nickte, als sei ich stolz auf die Glanzleistungen unseres Sohnes.
    »Wir könnten den Senhor fragen, ob er ihm nicht Gorducho mitgeben will, da könnte er etwas lernen.«
    Gorducho, »Fettwanst«, war ein Schwarzer, der wie kein anderer mit den Rindern umgehen konnte. Er genoss deutlich mehr Freiheiten als wir anderen Sklaven, und wenn er die Herde zu bestimmten Weidegründen trieb, war er oft tagelang allein unterwegs. Wir anderen beneideten ihn glühend um dieses Alleinsein, das uns nie vergönnt war. Ja, unserem Sohn konnte man keine schönere Aufgabe zudenken als diese – jedenfalls innerhalb unserer begrenzten Möglichkeiten in der Sklaverei. Ich fand, man müsse Gorducho zuerst fragen, ob er denn überhaupt einen Lehrjungen haben wollte, denn wenn der Dicke sich übergangen fühlte, konnte er sicher sehr ungemütlich werden.
    Gorducho war sichtlich angetan von der Idee, dass er einen jungen Helfer bekommen sollte. »Ist eh viel zu einsam da draußen«,

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