Das Lied des Kolibris
geglückt?«, fragte Mbómbo. Dass die drei dieselbe Finte angewandt hatten wie er, konnte er sich schlecht vorstellen. Mit zwei anderen Leuten tagelang in einem beengten Erdloch zu hocken hätte ihn umgebracht.
»Es war ziemlich aufregend«, sagte Marilu.
»Ach, eigentlich war es leichter, als wir dachten«, fiel ihr João ins Wort. »Dank der alten Hexe von São Fidélio.«
»Sie heißt Kasinda«, sagte Mbómbo.
»Nein, Imaculada«, verbesserte Luizinho.
»Ihr afrikanischer Name ist Kasinda. So wie meiner Mbómbo ist. Jetzt, da wir freie …«
Weiter kam er nicht. Die drei brachen in schallendes Gelächter aus. »Bombom!«, riefen sie immer wieder. »Bombom – wie köstlich!«, woraufhin sie abermals losprusteten.
»Also, Zé, ich glaube, du warst hier zu lange allein«, meinte João. »Kannst froh sein, dass wir endlich da sind.«
Doch das war er nicht.
Eine diffuse Ahnung von heraufziehendem Unglück beschlich Mbómbo, das ungute Gefühl, dass es mit seinem Seelenfrieden nun vorüber sei.
Kaum eine Woche später kam es zu dem ersten handfesten Krach unter den vier Bewohnern der jungen Siedlung, als es nämlich darum ging, dieser einen Namen zu geben. Zé – mittlerweile hatte er sich daran gewöhnt, wieder bei seinem Sklavennamen gerufen zu werden – sagte, sie habe bereits einen Namen, nämlich »Iriuanu«, was in der Sprache der Indios so viel bedeute wie »Wunder«. Die anderen drei schüttelten die Köpfe und verwarfen den indianischen Namen, da dieser unaussprechlich sei. »Dein Iriniri in Ehren, Zé, aber sollen wir nicht lieber einen anständigen portugiesischen Namen wählen?«
»Wie wäre es mit Santa Ursula?«, fragte Marilu, doch auch dieser Name fand keine Mehrheit, weil man nicht wie die Heilige von einem Pfeil getötet werden wollte.
»Ich bin für ›Quell des Glücks‹«, kam es von João.
»Eher ›Quell des Elends‹«, kommentierte Luizinho.
Es folgten unzählige weitere Vorschläge, manche sinnvoll, andere albern. Das ging eine ganze Weile so, bis das anfangs lustige Geplänkel in einen Streit umzuschlagen drohte.
Zé beschloss, ein Machtwort zu sprechen, damit dieses kindische Gezanke ein Ende nahm. »Liberdade. Freiheit. So nennen wir es. Quilombo da Liberdade.«
»Ach ja?«
»Ja. Ich finde, dass ich als euer Anführer das Recht habe, unsere Siedlung zu taufen. Und der Name ist schön. Was habt ihr gegen ihn?«
»Nichts«, sagte João. »Aber seit wann bist du unser Anführer?«
»Seit ihr hier angekommen seid. Ohne mich wärt ihr verloren gewesen.«
»Unsinn!«, zischte Luizinho. »Du warst doch derjenige, der seine Rettung uns zu verdanken hat. Du warst doch schon kurz davor, dem Wahnsinn zu verfallen. Bombom – dass ich nicht lache.«
»Wenn es euch nicht passt, dann zieht doch weiter. Gründet euer eigenes Quilombo.«
»Spinnst du?«, rief João. »Wir schaffen’s nur, wenn wir zusammenbleiben.«
»Falsch. Ihr schafft es nur, wenn ihr euch mir anschließt. Ich hingegen brauche euch überhaupt nicht.«
»Für was hältst du dich eigentlich? Bombom, den König der Hottentotten? Mann, das ist doch krank!«
Zé sah Luizinho mit undurchdringlicher Miene an. Er hätte große Lust gehabt, den Kerl windelweich zu prügeln. Erst kam er hier an und flehte um Hilfe. Dann erwies er sich als ebenso faul wie ängstlich, so dass er für die Jagd ausfiel, dafür aber hatte er den größten Appetit von ihnen allen. Und schließlich beleidigte er ihn noch und zog Afrika, immerhin ihrer aller Muttererde, ins Lächerliche. Der Dummkopf hatte wirklich gar nichts begriffen.
Je länger Zé schwieg, desto mehr trat die Unsicherheit in Luizinhos Gesicht zutage. Ob er zu weit gegangen war? Ob Zé ihn nun fortschicken würde? Aber nein, das würde er doch nicht tun, nur wegen eines blöden kleinen Witzchens? Zé schwieg noch immer.
»Na schön«, seufzte Luizinho, »dann bist du eben unser Anführer. Von mir aus. Und meinetwegen nenn doch unser armseliges Dörfchen ›Liberdade‹, ist mir doch egal.«
»Mir aber nicht«, sagte João. »Wenn er schon so leben will wie die Afrika-Affen, dann soll er sich auch an deren Regeln halten. Und da haben doch die Ältesten das Sagen, oder nicht, Zé?«
Zé war kurz davor, in die Luft zu gehen. Afrika-Affen?! Was glaubte der Schwachkopf eigentlich, wer seine Ahnen gewesen waren?
»Es reicht, João. Ihr könnt hier nach meinen Regeln leben – aber erwarte nicht, dass ich mich von jemandem anführen lasse, der sich selbst als
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