Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied des roten Todes

Das Lied des roten Todes

Titel: Das Lied des roten Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethany Griffin
Vom Netzwerk:
vielleicht wieder fahrbereit machen –«
    Will und ich bleiben neben ihm stehen. Ich bin die Erste, die den Arm sieht, der aus den schmuckvollen Verzierungen ragt, verhüllt von einem Spitzenschal.
    »Partykleidung«, sage ich. »Sie müssen zum …«
    »… Ball meines Onkels unterwegs gewesen sein.« Elliott rückt seine Maske zurecht. »Aber wie sind sie gestorben? Durch die Seuche oder durch den Roten Tod?«
    »Durch den Roten Tod«, sagt Will. »Wenn sie zur Party eingeladen waren, hätten sie Masken.«
    »Es spielt keine Rolle.« Ich lege ihm eine Hand auf den Arm. »Was es auch war, sie sind infiziert. Wir können das Risiko nicht eingehen, Elliott. Bei einer infizierten Leiche zu stehen ist immer noch gefährlich. Wir müssen hier weg.«
    Elliott sieht die Dampfkutsche wehmütig an. »Was für eine Schande. Sie ist großartig.«
    »Was für ein wunderschönes Gefühl«, spottet Will. »Ich bin mir sicher, die Besitzer waren sehr stolz auf ihre Dampfkutsche. Macht es euch etwas aus, ein bisschen zurückzutreten? Ich möchte mir lieber nicht den Roten Tod einfangen.«
    Während wir weitergehen, fühlt sich meine Tasche schwerer und schwerer an. Elliott hat immer eine Hand an seinem Schwert, als könnte er die Seuche so bekämpfen.
    Die Straße macht eine Biegung, und der Fluss blockiert unseren Weg. Um von dieser Seite aus in die Stadt hineinzukommen, müssen wir eine niedrige Brücke überqueren. Sie besteht aus weißem Stein und fühlt sich kühl an, als ich nach dem Geländer greife. Das Wasser steht etwa einen halben Meter niedriger als sonst. Es wogt mit dem gleichen fröhlichen Geräusch über Knie und Ellenbogen und Gesichter, mit dem es über die glatten Steine an der Uferböschung strömt.
    Ich breche das Schweigen, das sich in die Länge gezogen hat, und frage: »Riecht einer von euch beiden was?«
    »Das ist der Tod«, sagt Elliott. »Oder etwas genauer, die Stadt.«
    Ich schaue zur Seite, zu den Gebäuden hin, die das Ufer säumen: Da gibt es eine schlichte weiße Kirche, die erstaunlicherweise keinerlei Anzeichen von Vandalismus aufweist; einige Appartementgebäude; ein Haus, von dessen Balkon eine Leiche hängt. An ihrem Hemd wurde ein Schild befestigt, und ich strenge mich an, um die Schrift lesen zu können. Hat der Mann sich selbst erhängt, oder ist er das Opfer eines Gewaltverbrechens geworden? Hat er das Schild selbst an seinem Hemd befestigt, bevor er sich die Schlinge um den Hals gelegt hat und vom Balkon gesprungen ist, oder hat jemand es später angebracht?
    »Araby?« Elliott durchbricht mein Sinnieren. »Komm. Wir müssen eine Schenke finden. Ich habe schrecklichen Hunger.«
    Ich auch. Obwohl es um uns herum nichts als Tod und Verfall gibt und der Gestank der Leichen, die in den Straßen der Stadt verrotten, überwältigend ist, habe ich furchtbaren Hunger.
    Wir erreichen die andere Seite der Brücke, wie so viele andere, die in dieser sterbenden Stadt angekommen sind oder sie verlassen haben, und niemand reagiert auf uns. Die Straßen sind zum größten Teil verlassen, aber ich sehe Gesichter, die uns hinter durchscheinenden Vorhängen mustern. In den Eingängen lungern Männer herum.
    Ein Mann in Uniform, vielleicht ein Kurier, läuft zum Markt. Er hat ein Gewehr, aber seine Bewegungen wirken nervös.
    Auf die Wände vieler Gebäude sind rote Sensen gemalt worden. Eine auf einem Lagerhaus hat einen Stiel, der beinahe zwei Stockwerke hoch ist. Elliott runzelt die Stirn. Ein paar Blocks weiter in der Nähe einer Schenke befindet sich ein Haufen aus irgendetwas Weißem. Knochen?
    »Masken«, sagt Elliott, als wir näher kommen, und tippt sie mit einem Fuß an. Eine, die noch fast intakt ist, fällt auf die Spitze seines Stiefels.
    Aus dem Augenwinkel erhasche ich einen Blick auf einen Mann in einem dunklen Gewand. Kann es sein, dass Malcontents Leute uns bereits gefunden haben? Der Mann holt etwas aus seiner Tasche und kommt direkt auf uns zu. Ich öffne den Mund, um zu schreien, aber Elliott schiebt mich durch die Tür einer Schenke. Ich drehe mich wieder um, aber Will legt mir die Hand auf die Schulter. Elliott versperrt die Tür mit dem Schwert in der Hand.
    Ich stoße Will beiseite, aber bevor ich weiterkomme, dreht Elliott sich um und schiebt das Schwert wieder zurück in die Scheide. »Feigling«, murmelt er. »Als er gesehen hat, dass ich bewaffnet bin, ist er weggelaufen.«
    Ich stoße den angehaltenen Atem aus, erleichtert, dass wir nicht in Gewalttätigkeiten verwickelt

Weitere Kostenlose Bücher