Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)
Mörder « , brüllte ein Mann neben Sebastian, und ein anderer schrie: » Ja, bringt den Kerl zum Rabenstein! «
Der Richteherr hob die Hände. » Gemach, Leute! Zunächst muss das Urteil gesprochen werden. Ankläger, fahrt mit Eurer Befragung fort. « Dieser hatte sich aus seinem Stuhl erhoben und trat nun auf den Angeklagten zu. » Was sagt Ihr zu den Anschuldigungen von Herrn Schimpf? Entsprechen sie der Wahrheit? «
Pankratius zuckte mit keiner Wimper, als er den Blick des Anklägers erwiderte. » Ja, das tun sie. «
Durch die Menge ging ein Raunen.
Der Fürsprecher sprang auf. » Ihr wisst, was Eure Aussage bedeutet? « , rief er. » Damit sprecht Ihr Euch selbst das Todesurteil! «
Pankratius würdigte den Mann keines Blickes. » Es stimmt – ich habe den Befehl dazu gegeben. «
Sebastian weitete vor Überraschung die Augen.
» Hört mich an, Bürger Nürnbergs « , rief der Angeklagte mit erhobenen Händen. Laut und deutlich schallte seine Stimme durch den Saal. » Das Ende steht bevor, und die Zeichen dafür erfüllen sich, wohin wir auch schauen. Die Seuchen raffen Zigtausende dahin, Völlerei und Hurerei greifen um sich. «
» Haltet keine Reden « , unterbrach der Ankläger ihn barsch. » Ihr habt gestanden, Euren Männern den Befehl zur Brandstiftung an Erhardt Grubers Haus erteilt zu haben. Erleichtert endlich Euer Gewissen und gebt auch den Mord an der Hübschlerin Marie zu. «
» Mein Gewissen ist rein. Das Weib war eine Hure, und ich habe nur getan, was unser Herr in Seinem Worte sagt! Wenn Ihr mich dafür verurteilen wollt, so will ich die Strafe auf mich nehmen. Alles, was ich jemals getan habe, tat ich im Gehorsam meinem Herrn gegenüber, der bald erscheinen wird, um diese Welt zu richten. «
» Und das hat Er ausgerechnet Euch offenbart, ja? « , ließ sich nun der Richteherr vernehmen. » Angeklagter, wann das Ende der Welt naht, vermag wohl niemand hier im Saal vorauszusehen. Ihr jedenfalls seid ein falscher Prophet, einer der Irrlehrer, vor denen die biblia uns warnt. Mir wird regelrecht übel, wenn ich Euch noch länger ertragen soll. Ich bitte die Schöffen, sich auf ein Urteil zu einigen. «
Wie zu erwarten, lautete das Urteil der Männer in beiden Anklagen schuldig, sowohl des Mordes an der Hure Marie wie auch der Anstiftung zur Brandstiftung – beides Verbrechen, für die es keine andere als die Todesstrafe geben konnte. Auch Ferdinand Kärner und Dietrich Bratler wurden zum Tode verurteilt. Sepp Stadler hingegen konnten keine verbrecherischen Taten nachwiesen werden, ihn verurteilte der Richteherr daher zu vierzig Rutenstreichen. Der Nachrichter sollte ihn an beiden Wangen brandmarken. Außerdem wurde Sepp Stadler befohlen, die Stadt zu verlassen. Nur Johann Samer, Konrad Mutz und Augustin Hofer konnte nichts nachgewiesen werden, was eine Bestrafung gerechtfertigt hätte.
Nach der Verkündung der Urteile – Tod durch Verbrennen auf dem Scheiterhaufen – führten Büttel die Angeklagten an Ketten aus dem Gerichtssaal, um sie ins Lochgefängnis zurückzubringen. Dort sollten Kilian Pankratius, Dietrich Bratler und Ferdinand Kärner auf die Vollstreckung der Hinrichtung warten. Während die drei hinausgeleitet wurden, erhoben sich die Zuschauer von ihren Bänken. Sebastian stieg als einer der Ersten die Treppenstufen hinab, die in die Halle des Rathauses führten. Plötzlich drangen von unten Schreie zu ihm herauf.
» Vorsicht, der Mann hat ein Messer! « , rief eine schrille Frauenstimme, wie zur Antwort schrie jemand auf, gefolgt von lautem Fluchen, weiterem Geschrei und dem Klirren von Eisen. » Haltet die Lumpen fest! « , brüllte ein anderer. Sebastian wurde vorwärts geschoben, stürzte beinahe die Treppe hinunter.
Das Bild, das sich ihm bot, würde er sein Lebtag nicht vergessen. Auf dem Steinboden lag mit aufgerissenen Augen einer der Gerichtsdiener, die Kärner, Bratler und Pankratius in ihre Zellen zurückbringen sollten. In seinem blutverschmierten Hals steckte nahezu bis zum Heft eine Klinge. Ein zweiter Büttel lehnte kreidebleich an der Wand. Ein weiterer Gerichtsdiener kniete neben dem Schwerverletzten und streckte die Hand nach dem Messer in seiner Kehle aus. » Nicht! « , rief ein schmächtiger Mann neben Sebastian. Doch es war zu spät. Mit einem Rück zog der Büttel die Klinge aus dem Hals des Daliegenden. Fingerdick spritzte das Blut heraus.
» Lasst mich vorbei! « Der Mann neben Sebastian stürzte die letzten Stufen hinab und auf den
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