Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)
war.
Auf der Schütt angekommen, hielt er Ausschau nach Caspar, der jedoch nirgends zu sehen war. Im Schatten des Schuldturms ließ Sebastian sich nieder. Das war knapp gewesen. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Einen Steinwurf entfernt hockten ein paar Frauen am Flussufer und wuschen ihre Wäsche im klaren Wasser der Pegnitz. Eine der Wäscherinnen stimmte ein Lied an, die anderen fielen ein. Eine junge Frau mit einem Zopf sah aus wie Anna.
Auf einmal waren sie wieder da, die Schuldgefühle, die er in letzter Zeit so oft verdrängt hatte. Was war nur aus ihm geworden? Ein mieser, kleiner Dieb, der arglose Menschen bestahl und belog, und das beinahe täglich. Gott wird mich dafür ganz bestimmt in der Hölle schmoren lassen, dachte er düster.
Eine Hand legte sich ihm auf die Schulter. Caspar. Dem Himmel sei Dank!
» Wo hast du gesteckt? «
Der andere zuckte die Achseln. » Bin noch ein bisschen rumgelaufen. Wartest du schon lange? «
» Ich hatte Pech. Bin beim Klauen geschnappt worden « , erwiderte Sebastian, und sein Atem ging in heftigen Zügen. » Beinahe hätte mich ein Kerl den Bütteln übergeben. Ich konnte ihm gerade noch entwischen. «
» Berufsrisiko « , grinste Caspar und setzte sich neben ihn. » Ist mir auch schon passiert. Lass uns die Beute teilen. «
Sebastian holte den ledernen Beutel hervor, den er dem Mann auf dem Saumarkt vom Gürtel geschnitten hatte, zog das Band auf und ließ den Inhalt in Caspars geöffnete Hand fallen.
Der Freund stieß einen Pfiff aus. » Nicht schlecht, mein Lieber! «
» Du kannst meinetwegen alles haben. Hattest schließlich die Hauptarbeit. «
» Red kein dummes Zeug. Du hast geschnitten, ich hab ihn abgelenkt. Es wird wie immer geteilt. Los, nimm, was dir zusteht. «
» Behalte es. «
» Sag mal, bist du krank? « Caspar ließ die Münzen ins flache Gras fallen, legte ihm die Hand auf die Stirn und schüttelte sie, als ob er sich verbrannt hätte.
Sebastian rückte von ihm ab. » Lass mich einfach in Ruhe. «
» Wie du willst. « Caspar klaubte die Geldstücke auf, beförderte sie geschickt in seinen eigenen Beutel und erhob sich. » Wollen wir in einer Garküche etwas essen? «
» Ich hab keinen Hunger. «
» Langsam mach ich mir wirklich Sorgen, Stäubling. Also, ich hab einen Bärenhunger. Kommst du wenigstens mit, oder ist dir meine Gesellschaft lästig? «
» Nein, aber halt mal für ein paar Augenblicke die Klappe, ja? «
Caspar warf ihm einen verständnislosen Blick zu, schwieg jedoch. Sie verließen die Insel, und der Einarmige schlug den Weg in Richtung einer der Holzbuden ein, in denen man für ein, zwei Pfennige einen Teller Mus oder eine andere einfache Mahlzeit bekam. Als die beiden an einem Bettler vorbeigingen, blieb Caspar stehen. Eine Binde bedeckte die Augen des barhäuptigen Alten, der an eine Hauswand gelehnt auf dem Boden hockte, eine rostige Blechdose in der Hand. Caspar trat einen Schritt näher, und Sebastian folgte ihm.
Als der Mann merkte, dass jemand vor ihm stand, hob er die Hand und rasselte mit der Dose, in der sich ein paar Münzen befanden. » Ein Almosen für einen armen Mann, der sein Augenlicht schon vor vielen Jahren verloren hat! « , rief er in weinerlichem Ton.
Caspar beugte sich vor. Er hob die Hand, holte aus und tat, als wolle er dem Alten ins Gesicht schlagen.
Dieser zuckte zusammen. » He, was soll das? «
Der Einarmige lachte grimmig auf. » Wenn du blind bist, dann bin ich der Heilige Vater! «
Im nächsten Moment entriss er dem Mann die Dose. Der Alte schrie auf. » Mein Geld! «
» Komm, weg hier! « Caspar fasste nach Sebastians Arm und zog ihn mit sich fort. Ihm blieb nichts anderes übrig, als mit dem Freund die Gasse hinabzulaufen, wollte er nicht die Aufmerksamkeit der Leute auf sich lenken.
» Warum hast du das getan? « , wollte er wissen, als sie die nach zwei Seiten offene Garküche erreicht hatten, aus der ihnen der würzige Duft von auf Holzkohle gebratenem Fleisch entgegenwehte.
» Der Mann ist ein Betrüger. « Caspar grinste. » Hast du nicht gesehen, wie er zusammengezuckt ist, als ich so tat, als wollte ich ihn schlagen? So viel Dummheit muss bestraft werden. «
» Ein Betrüger. Und wenn schon. « Sebastian konnte es nicht fassen. Ein Beutelschneider bestahl einen Bettler. » Sind wir denn besser als er? «
Caspars Augen verengten sich zu Schlitzen, und er trat dicht an Sebastian heran. » Was soll das, Stäubling? Hast du ein Problem mit mir oder damit, wie wir
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