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Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)

Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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schlief fast den ganzen Gottesdienst über in ihrem Arm. Sie erwachte erst, als die Kirchenglocken zu läuten begannen und Korbinian und Anna in den breiten Mittelgang traten, um hinter den anderen Messbesuchern den geöffneten Türen zuzustreben. Beim Verlassen des Gotteshauses, das den Namen des Nürnberger Heiligen Sebaldus trug, trat ihnen Konrad Mutz in den Weg. Mit einem knappen Nicken begrüßte er zunächst Anna, um sich dann dem Buchmaler zuzuwenden . Er zog Korbinian einen halben Steinwurf weit fort, sodass sie nichts von der leise geführten Unterhaltung zwischen den beiden Männern verstehen konnte. Zudem verkündeten die Glocken das Ende der Messe und gellten ihr schmerzhaft in den Ohren. Lenchen, die von dem Lärm erwacht war, verzog den kleinen Mund und begann zu quengeln. Anna hatte ihre liebe Not, das Kind zu beruhigen.
    Die Kirchbesucher liefen an ihr vorbei, ihren Häusern und dem guten sonntäglichen Essen zu – sofern daheim jemand auf sie wartete, der für sie das Essen zubereiten konnte . Der Platz vor dem Portal der Sebalduskirche leerte sich zusehends. Unter den letzten Messegängern konnte sie zahlreiche Personen ausmachen, deren Gesichter vernarbt oder entstellt waren oder die sich nur mithilfe von Stöcken fortbewegen konnten. Überlebende von Aussatz und Pestilenz, was einerseits einen Funken Hoffnung in ihr auslöste, Anna aber auch daran erinnerte, wie viele Einwohner der Stadt, einschließlich einem Teil ihrer Familie, diese Krankheiten nicht überstanden hatten. Sie fröstelte und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Gestalten der beiden Freunde. Lebhaft gestikulierend redete Mutz auf Korbinian ein. Anna blieb nichts anderes übrig, als auf die wenigen Satzfetzen zu lauschen, die der einsetzende Wind zusammen mit den ersten herabfallenden Blättern über den Kirchplatz zu ihr herübertrug.
    » … soll ich zu Holzschuher oder Dürer gehen und euch anzeigen? « , meinte sie Korbinian in diesem Augenblick fragen zu hören und erschrak.
    Auch Mutz’ scharfe Antwort war deutlich zu verstehen. » Wenn du das tust, Korbinian Dietl, sind wir geschiedene Leute! «
    Der Holzschnitzer drehte sich auf dem Absatz um und ging mit langen Schritten davon. Ohne sich noch einmal umzuschauen, war er gleich darauf in einer schmalen Gasse verschwunden. Anna drückte das weinende Kind an ihre Brust und eilte ihrem Mann entgegen.
    » Willst du mir nicht endlich erzählen, was Mutz von dir fordert? «
    Korbinian nahm seine greinende Tochter an sich und herzte sie, bis Lenchen sich wieder beruhigt hatte. » Lass uns nach Hause gehen, Anna. Mach dir keine Sorgen, ich werde alles zum Besten regeln, glaub mir. «
    Kaum waren sie zu Hause, zog sich Korbinian in seine Werkstatt zurück. Zwischen den Stapeln dicker Bücher und allerlei weiteren Utensilien lugten nur noch seine blonden Haarsträhnen hervor, und Anna wandte sich verärgert ab. Im Stillen hatte sie gehofft, ihrem Gatten noch etwas über den Streit mit Mutz entlocken zu können, aber das schien vergebene Liebesmüh zu sein. Geräuschvoll zog sie die Werkstatttür ins Schloss.
    Beim gemeinsamen Abendessen spürte Anna, wie ihr Gatte sie aufmerksam durch die Gläser seiner Stegbrille musterte.
    » Du bist mir immer noch böse, oder? «
    Sie wich seinem Blick aus und fütterte Lenchen ungerührt weiter. » Ich bin eben nur ein Weib, nicht wahr? Und seinem Weib muss man nicht alles erzählen, die sind ohnehin zu dumm, um manches zu begreifen. «
    Korbinian ließ seinen Löffel sinken. » Herrje, das habe ich nie behauptet « , erwiderte er entgeistert und schüttelte den Kopf. » Außerdem ist das Unsinn, Anna. Du bist die klügste Frau, die ich kenne. Hast du vielleicht schon einmal in Betracht gezogen, dass ich dich nur schützen möchte? «
    Sie säuberte dem Kind mit einem Tüchlein den Mund und seufzte. » Es tut mir leid, wenn ich ein wenig heftig reagiert habe. Das war nicht recht, dennoch ärgert mich dein Schweigen. «
    In seine Augen trat ein warmer Schimmer. » Und mir tut es leid, dass ich mich hinter der Arbeit vergraben habe, anstatt mit dir zu reden. Verzeih mir, Anna. « Er erhob sich, ging um den Tisch herum und nahm ihr die Kleine vom Schoß. » So, Schätzchen, jetzt kommst du zu mir, damit deine Mutter in Ruhe essen kann. «
    Einen Moment lang saß sie nur da und blickte ihn reglos an. » Was hast du da gerade gesagt, Korbinian? « , presste sie hervor, während sie Lenchen beobachtete, die sich vertrauensvoll an die Brust

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