Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)
Wenn Ihr um die Ecke biegt, stoßt Ihr auf ein ordentlich geführtes Gasthaus, in dem Ihr übernachten könnt. Es heißt Zum Ansbacher Keller und wird von Sigmund Moser und seiner Familie betrieben. Richtet ihm Grüße von mir aus. « Er streckte ihr die Hand entgegen. » Morgen nach dem Frühstück hole ich Euch dort wieder ab. «
Anna nahm seine Hand und schüttelte sie. » Sehr gern. «
Sie schritt die Gasse hinab, bog um die nächste Ecke und steuerte mit Lenchen auf dem Arm auf eine mit feiner Holzarbeit verzierte Tür zu. Im Inneren empfing sie das anheimelnde Dämmerlicht zahlreicher Öllampen. In der Gaststube duftete es nach gebratenem Fleisch und Zwiebeln. Anna lief das Wasser im Mund zusammen. Ein untersetzter Mann mit einem kahlen Haupt kam ihr entgegengeeilt und wischte sich die Hände an seiner Schürze ab.
» Grüß Gott, was kann ich für Euch tun? «
» Grüß Gott, Ihr seid gewiss Herr Moser, nicht wahr? « , versuchte Anna ein Lächeln. » Ich soll Euch von Herrn Osiander Grüße ausrichten und bitte um eine Kammer. «
» Ach, der Herr Pfarrer, wie nett. Ein außergewöhnlicher Mann, der in meiner Familie großes Ansehen genießt. Eine Kammer, sagt Ihr? Wie lange gedenkt Ihr zu bleiben? «
» Nur bis morgen, wir reisen mit Herrn Osiander am Vormittag wieder zurück nach Nürnberg. «
» Wie Ihr wünscht. Die Gästezimmer findet Ihr im ersten Stock, ich bringe Euer Gepäck gleich hinauf. Auf dem Grill liegen frische Schweinelendchen, dazu gibt es Rübenmus und Gerstenbrot. «
» Das ist wunderbar « , entfuhr es ihr, » wir sind sehr hungrig. Außerdem hätte ich gern einen Becher Bier und für meine Tochter Ziegenmilch « , fügte Anna hinzu und wunderte sich, wie leicht ihr diese Bezeichnung über die Lippen kam.
Der Wirt entblößte ein erstaunlich vollständiges Gebiss und wies auf einen Tisch, der sich in einer der Ecken befand. » Macht es Euch bequem. Wie Ihr seht, seid Ihr heute meine ersten Gäste, aber glaubt ja nicht, das würde so bleiben, abends werden hier gern Würfelspiele ausgetragen. «
KAPITEL 27
S ieh nur, es hat wieder geschneit « , sagte Sebastian nach einem Blick durch das kleine Fenster, als er sich am folgenden Tag Barbara gegenüber am Küchentisch niederließ.
Es war spät geworden am vorigen Abend. Nachdem Frau Freisler ihre beiden jüngeren Kinder zu Bett gebracht hatte, wollte der Vater des Mädchens alles über Sebastians Zeit in der Bruderschaft wissen. Anfangs war es ihm unangenehm, vor Fremden über seine Erlebnisse zu reden, aber dann verspürte Sebastian ein Gefühl der Erleichterung und war froh, endlich über das Erlebte sprechen zu können. Die Ereignisse des vergangenen Tages hatten sich förmlich überschlagen, Sebastians Kinn war noch immer geschwollen und schmerzte bei der kleinsten Mimik. Aber wenn er dafür dem hübschesten Mädchen der Stadt gegenübersitzen, mit ihm plaudern und ihm nahe sein konnte, ließ er sich gern einen Kinnhaken verpassen. Nur mit Anstrengung unterdrückte er ein Grinsen und sog ihren Anblick in sich auf. Dabei kam es ihm so selbstverständlich vor, mit ihr am Tisch zu sitzen und zu frühstücken, als wären sie schon seit vielen Jahren Freunde.
» Du bist dir wirklich ganz sicher, dass du das Richtige tust? « , wollte Barbara mit besorgter Miene wissen. Sie hob den Becher mit Würzbier an die Lippen.
Der Steinmetz war in der Werkstatt, und seine Frau war mit den fünf- und sechsjährigen Buben zum Markt gegangen, weshalb die beiden Muße hatten, sich ein wenig allein zu unterhalten.
Sonnenstrahlen fielen durch das Butzenfenster auf Barbaras Gesicht und warfen einen goldenen Schimmer auf ihr schulterlanges Haar. Wie bereits bei ihrer ersten Begegnung verspürte Sebastian einen Kloß im Hals, wenn er sie betrachtete. Ihre Stupsnase gefiel ihm ebenso gut wie der meist lächelnde Mund. Sie erwiderte seinen Blick ohne Arg. Eben diese Unschuld hatte Sepp damals offensichtlich an ihr gereizt. Dieser Schurke! Was war er nur für ein Narr gewesen! Sebastian fühlte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss.
» Redest du heute Morgen nicht mit mir, Sebastian? « Barbara schnitt eine weitere Scheibe Brot ab und legte sie ihm auf den Teller.
Er murmelte einen Dank und bestrich die Brotscheibe mit Butter. » Entschuldige, ich war in Gedanken. Ja, natürlich « , erwiderte er schlicht. » Diesen Verrückten muss endlich das Handwerk gelegt werden, bevor noch mehr Blut vergossen wird. « Sebastian schauderte es, wenn er an die
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